Die Untere Argen mit ihrem kiesreichen Bett und den steil aufragenden Sandsteinfelsen hat – ebenso wie die Obere Argen – auch heute noch viel von ihrem ursprünglichen Charakter als Gebirgsfluss bewahrt. An manchen Stellen schürfte sie sich in den tertiären Untergrund ein und legte Nagelfluh- und Molasseformationen frei, wodurch sie uns einen Einblick in die erdgeschichtliche Vergangenheit ermöglicht. Interessante, mehrere Millionen Jahre alte Zeugen sind die Steilwände aus Molasse-„Zapfensandstein“ bei Thalerschachen und Neumühle, ein einsamer Nagelfluhfels bei Arnsberg und bizarre, abgerutschte und aufgefaltete Talhänge zwischen Burkarts und Thalerschachen. Daneben hat die Argen in manchen Tobelwäldern noch letzte Reste der urtümlichen Vegetation bewahrt.
Aber auch die neuere Geschichte unserer Landschaft in ihrem ständigen Werden und Wandel dokumentiert die Argen: Seit der Eiszeit und bis heute gräbt sie sich in die Steilhänge hinein, höhlt seltsame Formationen aus dem Sandstein und bringt – besonders bei den gefürchteten Hochwassern – große Geröllflächen zum Abrutschen. An den Burgen Affenstein und Arnsberg sieht man das Werk ihrer Zerstörung besonders deutlich: Erstere ist fast vollständig, letztere zur Hälfte abgerutscht. Nur wenige dieser Hochwasserkatastrophen sind schriftlich festgehalten worden – und dies meist nur im Zusammenhang mit der Zerstörung der Brücken: 1552 (?), 1679, 1704, 1750, 1767, 1768, 1789, 1874, 1953, 1956 und 1999.
Um Überschwemmungen zu verhindern, wurden um 1960 die Ufer befestigt. Diese Maßnahmen wandten zwar seither neue Katastrophen ab, doch haben sie einerseits eine erhöhte Fließgeschwindigkeit zur Folge und andererseits natürliche Böschungen und somit Nistplätze der Eisvögel und anderer Wasservögel zerstört.
Andere Eingriffe wirkten sich für die Argen noch viel verheerender aus: die Kanäle. Durch sie wird der Argen über weite Strecken fast alles Wasser entzogen, weshalb sie dort zum übelriechenden Rinnsal degeneriert ist. Gerade an den Argenkanälen zeigt sich der Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und Naturzerstörung. Der Argenkanal, den die Herrschaft Ratzenried 1754 für den Betrieb der Neumühle bauen ließ (daher der Name!) und der ein frühes Beispiel für die beginnende Schädigung der Argen darstellt, hatte rein kommerzielle Gründe, und der Kanal in Thalerschachen (erbaut 1893) sollte gar der Stadt Wangen eine elektrische Straßenbeleuchtung ermöglichen.
Ein einzelner Argenkanal wäre sicherlich zu verantworten gewesen, doch ist – wie so oft – die Häufung, die Naturausbeutung ohne Maß und Ziel zu kritisieren. Heute befinden sich zwischen Gottrazhofen und Neumühle – also auf einer Strecke von 5 km – vier Argenkanäle; zusätzlich bildet der Argenstausee bei Gottrazhofen eine Barriere. (In den 50er Jahren plante die EVS sogar einen riesenhaften Argenstausee bei Isny.) In den letzten Jahren wurden immerhin bei Neumühle und Gottrazhofen spezielle Fischtreppen erbaut.
Neben Uferverbauungen und Kanälen ist die Wasserverschmutzung in den letzten Jahrzehnten die größte Gefahr für die Argen: Abwässer von Kliniken, Betrieben und Höfen haben das Wasser z. T. so verseucht, dass die Fische rar geworden sind oder aber von Parasiten befallen werden.
Seit einiger Zeit haben auch noch die Kajak-Fahrer die Argen entdeckt, obwohl meist sehr wenig Wasser fließt. Damit werden bisher noch wenig berührte Natur-Nischen dem Freizeitsport geopfert. Ein Flurname zwischen Thalerschachen und Wengen heißt „Paradies“. Vom Paradies Argen ist nicht mehr viel übrig geblieben.