Quellen
Zum Landschaftsbild des Allgäus gehören neben den Hügeln, Mooren, Seen und Weihern auch die Quellen und Bäche. Das Allgäu war ein äußerst quellenreiches Gebiet. Das Wasser war lebensnotwendig: ohne Wasser kein Leben! Quellen wurden in uralter Zeit sogar als heilige Orte betrachtet, an denen man den Göttern Opfer darbrachte.
Ein besonders magischer Ort ist der Schlucktrichter im Gründlenmoos, um den sich Sagen mit Opferbräuchen ranken.
Oft wurden die Quellen des Altertums „christianisiert“, indem man über ihnen eine Kirche oder Kapelle baute. Dafür gibt es im Allgäu einige Beispiele: DieUlrichsbrunnen bei Möggers und in Seibranz. Beide Quellen sind heute noch viel besucht; das Wasser des Ulrichsbrunnen bei Möggers gilt als Heilwaser für die Augen. Besondere Quellen gibt es auch im Gschnaidt, in Wigratzbad und bei Schlesis in der Nähe von Immenried/Arnach (sog. Jungfern-quelle). Wünschrutengänger vermu-ten in der Nähe des Bruggweihers (Ratzenried) eine hochwertige Quelle.
Pfarrer Schmid (Allgäu, meine Heimat, 1930) schreibt: „Im Allgäu finden wir am Fuße eines jeden Hügels eine Brunnenstube oder eine Quelle.“ Von den Quellen aus wurden Holzrohre (sog. Deichel) bis zu den einzelnen Weilern oder Dörfern gelegt. Dort gab es dann Wasserverteiler (hochdeutsch Scheidsäule, mundartlich Schôidsoul), mit denen das Quellwasser auf die einzelnen Höfe verteilt wurde. Da an Steilhängen zur Argen viel Quellen sprudelten, wurde das Wasser mit einem sog. Widder (Pumpe ohne Strom) hochgepumpt. So hatte jeder Hof Wasser in seinem Brunnentrog vor dem Haus.
Diese Zeiten sind vorbei. Am Beispiel Ratzenrieds lässt sich nachweisen, wie sich die beginnende Intensiv-Landwirtschaft mit der damit zusammenhängenden Entwässerung der Wiesen auf den Wasserhaushalt auswirkte. Durch die Drainage wurden viele Quellen ausgetrocknet, so dass 1912 im Dorf Ratzenried eine Gemeindewasserleitung nötig wurde. Für die Quelle von Oberried entstand ein Reservoir auf dem Galgenberg, für diejenige von Weihers eines auf der Halde (westlich des Dorfes).
Doch der Niedergang der Wasserversorgung schritt unaufhaltsam voran. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs. ergriff dann die Wasserknappheit allmählich die ganze Gemeinde Ratzenried. Die Ratzenrieder hatten sich durch die maßlosen Drainagen von Feuchtgebieten und Wiesen im wahrsten Sinn des Wortes das Wasser selbst abgegraben – ein trauriges Beispiel für die „ungewollten Nebenwirkungen“ in einem einst so quellenreichen Gebiet.
Die Quellen versiegten aber nicht nur – sie wurden darüber hinaus auch verseucht. Als aus den Ratzenrieder Wasserhahnen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs. statt des Wassers teilweise Gülle floss, hätte dies ein erstes Anzeichen für die Verseuchung des Grundwassers sein müssen. Doch es wurde munter weitergewirtschaftet: Der höhere Grasertrag war wichtiger als die Wasserqualität. Inzwischen ist Ratzenried vollständig auf Trinkwasser von außerhalb angewiesen.
Nur noch wenige Wasserverteiler (am Ortsausgang von Ratzenried, in Hochstetten, Buchen, Tal, Mittelried) erinnern an diese ehemalige Wasser-Autarkie; die meisten Verteiler funktionieren aber nicht mehr, und Widder gibt es in Ratzenried keine mehr. Umso wichtiger sind die Quellen im Dorferwald, die noch einzelne Häuser mit Wasser versorgen. Doch auch sie sind gefährdet, falls Windräder im Dorferwald entstehen und den gesamten dortigen Wasserhaushalt zerstören würden.
Bäche
Sie entwässern unser Gebiet seit der Eiszeit; sie schlängeln sich in vielen Windungen dahin und haben an den Hängen zur Argen tiefe Tobel eingeschnitten. In Ratzenried verläuft auf einer Linie Alperts-Elmen-Zimmer|berg eine kleine Wasserscheide, denn südlich dieser Linie münden die Bäche in den Gießbach und dann in die Obere Argen, nördlich davon in die Untere Argen.
Die Bäche waren seit alter Zeit wichtig für die Mühlen. 1587 stritten sich beide Ratzenrieder Herrschaften, an welchen Tagen die Eggenmühle (Oberschloss) und die Argenmühle (Unterschloss) ihr Wasser aus dem Dorfbach beziehen sollten; die Abzweigung befand sich beim inzwischen abgebrochenen Haus an der Wangener Straße (früher Haus Nr. 62).
Die Bäche waren auch von Bedeutung für die Wiesenwässerung. Sie wurden teilweise in mehrere Richtungen abgezweigt (mit einem speziellen Fallensystem), um die Wiesen mit Nährstoffen anzureichern.
Auch für die Fischerei waren die Bäche von einer gewissen Bedeutung, sonst hätte nicht die Ratzenrieder Herrschaft die Fischrechte in den Bächen genau aufgeteilt, und den Bauern streng verboten, in den Bächen „zu fischen und zu krepsen.“ Demnach gab es in den Bächen auch Krebse.
Inzwischen sind viele Bäche unnatürlich begradigt und manche Bachtobel zum Schuttabladeplatz degradiert oder vollständig eingeebnet, weil sie als störende Barriere dem Traktor im Wege standen.
Wegen der Absenkung des Grundwasserspiegels führen die Bäche heute weniger Wasser, bei Gewittern allerdings kurzzeitig mehr Wasser als früher, was wiederum die Hochwassergefahr in der Argen erhöht.
Manche Bäche sind in den letzten Jahrzehnten verdolt worden, was ebenfalls den Tod eines Baches bedeutet, da hier Leben kaum mehr möglich ist und das Wasser, statt teilweise ins Grundwasser zu versickern, zu schnell abgeführt wird. Ein trauriges Beispiel ist der Ratzenrieder Dorfbach, „Lanquatt\“ genannt. Er entspringt südlich des Dorfes und bildete dann beim Gasthaus Rössle einen Weiher – eine Art Dorfmittelpunkt; hier trafen sich die Frauen beim Waschen oder die Bauern bei der Viehtränke. Anschließend schlängelte sich der Lanquatt an Häusern und Gärten vorbei bis zum Dorf- (Schloss-)Weiher. Er lieferte Wasser für die Gärten, war Spielplatz für die Kinder und Bademöglichkeit für die Enten und Gänse. Seit 1955 ist er auf seiner ganzen Länge verdolt und damit aus dem Dorfbild getilgt. In der Folgezeit und bis zur Kanalisation des Dorfes entwickelte sich der Lanquatt zusätzlich zu einer stinkenden Kloake. Die Wasserqualität hat sich inzwischen allerdings verbessert. Andernorts werden solche Dorfbäche wieder renaturiert und verschönern das Dorfbild.