Hoch- und Niedermoore

Der Zustand der Hoch- und Niedermoore ist für das Allgäu vielleicht das anschaulichste Beispiel für das gestörte Verhältnis zur Natur, nicht zuletzt deshalb, weil Moore und Feuchtgebiete zum wesentlichen Merkmal des Allgäus gehör(t)en und weil sich hier am deutlichsten die negativen Folgen dieses Wandels abmessen lassen.

Die Hochmoore waren und sind eindrucksvolle Beispiele unserer Landschaftsgeschichte. Nach der Würmeiszeit war das Westalllgäu eine vom Gletscher geformte hügelige Landschaft mit zahllosen Schmelzwasserseen. Im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende begannen viele dieser Seen vom Rand her zu verlanden und entwickelten sich allmählich zu Niedermooren. Durch das Wachstum des Torfs entstanden daraus Hochmoore.. So sind die noch verbliebenen Seen, Nieder- und Hochmoore unserer Gegend neben den Moränen und Hügeln die letzten „lebenden“ Zeugen der Nacheiszeit.

In Ratzenried gab es im 16. bzw. 18. Jahrhundert noch ca. 18 ha Hoch- und Niedermoore, im Allgäu „Moose“ genannt. Erst die Entdeckung des Moores als Rohstoffquelle leitete bei uns seit der Mitte des 18. Jahrhunderts den groß angelegten Abbau der Moore ein. Dabei musste der Torf als Ersatz für das rar gewordene Brennholz herhalten. Der Torfabstich dieser Moore wurde im 19. Jahrhundert weiter intensiviert. Im Oberamt Wangen steigerte sich der Torfabstich zwischen 1841 und 1863 auf das sieben bis achtfache; die Torflager wurden damals noch mit 7311 Morgen (ca. 2500 ha) beziffert.1899 waren die Ratzenrieder Torfmoore auf 9 ha geschrumpft, Göttlishofen besaß noch 27 ha, Eisenharz 119, Eglofs 45 und Christazhofen 105 ha.

In beiden Weltkriegen wurden die Moore (besonders das Arrisrieder Moos) noch intensiver abgebaut. In dieser Zeit sind auch die letzten Reste der besagten Hochmoore in Ratzenried verschwunden; sie werden heute teilweise als Streuwiesen genutzt, teilweise wurden sie aufgeforstet. Im Gegensatz zu der Umwandlung zu Streuwiesen ist die Aufforstung der endgültige Tod der Moore, denn dadurch wird die ursprüngliche Vegetation größtenteils zerstört.

Niedermoor/ Streuwiese

Den absoluten Niedergang der Moore aber brachte die Verpackung des Torfs in Plastiksäcke: Auf diese Weise sollte der „Kunstnatur“ mancher Städter mit Allgäuer Moorerde nachgeholfen werden, und selbst ins Ausland wurden die Allgäuer Moore in Säcken exportiert. Das Eisenharzer, das Harprechtser und das Arrisrieder Moos wären auf diese Weise beinahe vom Erdboden verschwunden, wenn man nicht noch in letzter Minute Einhalt geboten hätte. Noch 1975 (!) stellte das Regierungspräsidium einer Blumenerdefabrik den Abbau des Arrisrieds in Aussicht.

Dieses damals gerettete und inzwischen wieder teilweise renaturierte Moor gibt uns eine Vorstellung, wie viele andere Orte im Allgäu von Hochmoorlandschaft geprägt waren.

Die Niedermoore, entweder Reste abgebauter Hochmoore oder Übergangsmoore oder  trockengelegter Weiher, waren immer schon leichter zu kultivieren als Hochmoore. Jahrhunderte lang nutzten die Bauern und die Herrschaften die meisten dieser Flächen als Streuwiesen.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann man nun, die Niedermoore durch Gräben, Holzdeichel und (ab 1860) Tonröhren trockenzulegen und zu einmähdigen Wiesen umzuwandeln.

Verlust an Streuwiesen in Ratzenried (Bley)

Die Entwicklung beschleunigte sich nach dem zweiten Weltkrieg in rasanter Weise: Niedermoore und Streuwiesen galten als nutzloses, „Öd- und Unland“, die Streu wurde durch die moderne Flüssigentmistung überflüssig, die Flächen benötigte man zur zusätzlichen Gras- und Heugewinnung; deshalb wurde – ohne den ökologischen Sinn der Niedermoore und Feuchtwiesen zu erkennen – in unvorstellbarem Maß entwässert, zumal der Staat dies auch noch subventionierte. Hier sieht man, dass diese Entwicklung primär nicht der Bauer, sondern eine verfehlte Agrarpolitik mit Anreizen und Sachzwängen gefördert und beschleunigt hat. Die Zahlen belegen den Raubbau: In Ratzenried ist die Streuwiesenfläche von 120 ha (1914) und 90 ha (1941) auf 15 ha (1988) zurückgegangen.

Heute bedauert man diesen radikalen Wandel und versucht teilweise gegenzusteuern, weil man den Wert der Moore und Feuchtwiesen als CO2-Speicher und Regenrückhalteflächen sowie als Refugien für Pflanzen und Tiere erkannt hat. Nachdem die Politik mit viel Geld die Entwässerung der Moore gefördert hat, subventioniert sie nun deren Wiedervernässung. Und nun soll auch der Bau von Windrädern subventioniert, die die umliegenden Moore schädigen würden. Welch ein Widersinn!

Fazit: Dieser Überblick zeigt, dass unsere Landschaft in früherer Zeit viel bunter war mit sehr viel mehr Hoch-. und Niedermooren und mit entsprechender Flora und Fauna. Der  Raubbau an der Natur muss gestoppt werden!