(s. auch Büchele, III, 94 ff. mit Quellenangaben)
Säugetiere
Die Geschichte der Ausrottung der Tiere ist so alt wie die der Menschheit. Manche Tierart verschwand, weil sie dem Menschen lebensbedrohend war, weil der Mensch ihr den Lebensraum streitig machte oder weil sich die klimatischen Bedingungen geändert hatten.
Nach der Eiszeit, als im Allgäu eine arktische Vegetation allmählich den kargen Boden begrünte und noch weit und breit kein Mensch zu sehen war, wanderten in die eisfreien Gebiete Tiere ein wie Wollnashorn, Moschusochse, Mammut, Rentier, Riesenhirsch, Höhlenbär, Wisent, Wildpferd, Murmeltier, Steinbock, Gämse, Lemming, Schneehase, Schneehuhn und Schnee-Eule. Ein Fragment eines Mammutunterkiefers wird im Wangener Museum aufbewahrt. Und zeugt noch von dieser Epoche.
Sobald aber die Temperaturen einige Jahrtausende später allmählich weiter anstiegen und sich in der Warmzeit eine Klimaveränderung anbahnte, starben manche Arten aus, zogen sich die arktischen Tiere in die Alpen oder in die skandinavischen Länder zurück und machten Tierarten Platz, die in gemäßigterem Klima sich heimisch fühlten, wie z. B. Wolf, Bär, Wildkatze, Wildschwein, Auerochs, Fischotter und viele der heute noch existierenden Arten.
Seit der alemannischen Besiedlung (im Allgäu ab dem 7./8.Jh.) nahmen in unserer Region die Siedlungen immer mehr zu und wurde viel Wald gerodet. Dadurch und durch das herrschaftliche Jagdfieber verloren Tiere wie z.B. Wisent, Auerochs, Wildkatze, Adler, Kranich und Trappe ihren Lebensraum und starben mehr oder weniger aus. Bären, in Ratzenried durch Namen wie Berfallen und Bärenloo seit dem Mittelalter belegt, sind auch nachweislich im 16. Jahrhundert aus unserer Gegend verschwunden. Im Prozess zwischen der Grafschaft Eglofs und der Herrschaft Ratzenried von 1580 ist zum letzten Mal von Bären die Rede, die im Klingler und auch an der Roten Lache (bei Reute) gefangen wurden. Mit großem Stolz ließ Jos von Ratzenried einen Bärenkopf an der Wirtschaft aufhängen. Bis zum 17. Jahrhundert hatten sich die Bären bis in die Allgäuer Alpen zurückgezogen. Doch auch hier wurde ihnen der Garaus gemacht. 1693 zahlte die Herrschaft Waldburg-Wolfegg jedem Bauern 1 Gulden, der einen Bären in |der Nähe der Alpe Rohrmoos erlegte.
Im Gegensatz zu den Bären bildeten die Wölfe in harten Wintern sicherlich eine Bedrohung der Bevölkerung. Sie standen noch im 18. Jahrhundert auf der Abschussliste der Ratzenrieder Jäger. Ihre Ausrottung wurde vorangetrieben, indem der Abschuss einer tragenden Wölfin besser bezahlt wurde als der eines Wolfes.
Ebenfalls im 18. Jahrhundert wurden in unserer Gegend die Wildschweine ausgerottet, die auf andere Art lebensbedrohend waren, indem sie die Ernte schädigten. Der Luchs schließlich sollte erst im 19. Jahrhundert aus dem Allgäu verschwinden; 1840 wurde der letzte im Rettenschwanger Tal geschossen. Den letzten Alpenhasen unserer Gegend – schon 1841 in den Oberamtsbeschreibungen von Wangen und Leutkirch als Seltenheit genannt – erlegte 1885 der Wirt von Beuren im Rotholz.
Die Hirsche waren vor 1848 bei uns noch häufig und bei den herrschaftlichen Jagden als Trophäen beliebt – weniger allerdings bei den Bauern, da sie oft in den Getreideäckern Schaden anrichteten. Nach der Bauernbefreiung von 1848 nahm die Zahl der Hirsche schnell ab, nachdem die Bauern Waldbesitzer geworden waren. Gämsen wurden um 1930 noch bei Christazhofen und Friesenhofen gesichtet, doch sind sie inzwischen bei uns nur noch in den Alpen und vereinzelt auf der Adelegg anzutreffen. Rehe dagegen waren und sind bei uns häufig; als große Seltenheit wurde 1890 in Ratzenried eine gehörnte Rehgeiß geschossen.
Fischotter waren laut Oberamtsbeschreibung von 1841 noch „in ziemlicher Menge“ vorhanden, und auch am Vallerayer Weiher wurde noch einer erlegt. Noch in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts fing der Hammerschmied von Gottrazhofen mehrere Fischotter an der Argen. Inzwischen sind sie längst ausgerottet.
Der Biber, der ausgerottet war, ist in neuester Zeit durch strenge Schutzmaßnahmen wieder auf dem Vormarsch, ebenso der Bär und der Wolf. Aber immer wieder gibt es Interessenskonflikte zwischen dem Naturschutz und den Bauern.
In neuester Zeit ist eine weitere Säugetierart aufs Ärgste bedroht: das Allgäuer Braunvieh. Entgegen dem ersten Eindruck handelt es sich nämlich beim heutigen Allgäuer Vieh nicht um das Allgäuer Braunvieh, sondern um eine Kreuzung mit der aus den USA importierten Rasse „Brown Swiss“. Dadurch wurden die Tiere größer und schwerer und stieg die Milchleistung an; demgegenüber nahm die Eignung zur Mast deutlich ab. Vom echten Allgäuer Braunvieh gibt es nur noch wenige hundert Exemplare (u.a. bei Anton Albrecht in Enkenhofen), und das Allgäuinstitut setzt sich für den Erhalt dieses typischen Alläuer Viehs in besonderer Weise ein.
Während einerseits Tierarten ausstarben, dringen andererseits invasive Tierarten (wie z.B. der Waschbär) bei uns ein und verdrängen heimische Tierarten. So macht sich auch auf diese Art die Globalisierung negativ bemerkbar.
Fische
Über das Fischvorkommen gibt es wenige Quellen. In den Fischereibüchern der Herrschaft Ratzenried aus dem 18. Jh. werden Hechte, Karpfen und „Ubinge“ (?) erwähnt, die in den Weihern gefangen wurden. Zengerle nennt 1838 die „Gemeine Forelle; sie ist sehr häufig, von vorzüglicher Qualität und in vielen Quellwassern vorkommend.“ Karpfe, Weißfisch und Hecht seien häufig, Schleihe weniger häufig und Barbe schon seltener. Außerdem nennt er Bartgründel, Flussbarsch und Weller. „Diese Fische finden sich namentlich in den Seen von Kißlegg und Beuren, werden oft erstaunlich groß, so dass schon solche Weller von 20-30 Pfund gefangen wurden.
Die Oberamtsbeschreibung von Wangen (1841) nennt Hechte, Karpfen und Weller in den Seen und Weihern, Forellen und Barben in den Flüssen. In der OAB Leutkirch (1843) werden erwähnt: Karpfe, Barbe, Schleihe, Weißfisch, Rotauge, Gräßling (C. Gobio), Brachse, Orfe (C. Jeses), Forelle, Äsche, Huchen, Grundforelle, Hecht, Treische, Grundel, Groppe, Barsch (Perca fluviatilis), Aal und Weller.
Durch Pfarrer Schmid (1931) erfährt man, dass in den Seen, Weihern und fließenden Gewässern Schmerle, Gruppe (Groppe), Barsch, Flussbarsch, Äsche, Alpenforelle, Aal, Hecht, Karpfen, Schleie, Bartgründel, Weißfisch, Barbe und sogar 50- bis 60pfündige Weller (Welse) lebten. „In der Argen und den meisten unserer Bäche (!) stehen Forellen. Die Argenforellen sind die schmackhaftesten (!) und gesuchtesten, weil sie in einem frischen Gebirgswasser (!) leben.“
Seither ist von dem „frischen Gebirgswasser“ nicht mehr viel übrig, und ist der Fischbestand in der Argen stark zurückgegangen. Die Ursachen dafür sind die in die Argen gelangenden Abwässer, Jauche und Herbizide sowie die Kanäle, durch die ein großer Teil des Wassers für die Wasserkraftwerke abgezweigt wird und die Argen zu einem Rinnsal verkommt. Auch hier gilt: „Fortschritt“ und Technik gegen die Natur. Inzwischen kommen der Klimawandel und die damit zusammenhängende Wassererwärmung hinzu.
Die Entwicklung ist erschreckend: Die Fischfauna in Baden-Württemberg ist mehr oder weniger stark gefährdet, was sich im Spiegel der „Roten Liste der Fischarten“ zeigt: Von den ursprünglich 57 einheimischen Fischarten gelten 17 (29,8 %) als ausgestorben bzw. extrem selten, 20 Arten (35,1 %) sind stark gefährdet bzw. selten, 8 Arten (14 %) sind gefährdet und nur 12 Arten (21 %) sind in ihrem Bestand gesichert. (Zahlen nach P. Agn. Naturschutz 1990/91, S, 43
Für die Untere Argen gilt für den Bereich Thalerschachen bis Pflegelberg: Die oben genannten Fische wie Äsche, Flussbarsch, Alpenforelle, Hecht, Schleie und Bartgründel sind ausgestorben, und in den nächsten Jahren werden auf Grund der Wassererwärmung die jetzt schon sehr seltene Trüsche und die Bachforelle folgen. Bei der Letzteren ist die natürliche Fortpflanzung schon seit Jahren nicht mehr nachweisbar (dagegen noch in der Oberen Argen zwischen Staudach und Hiltensweiler). In der Argen kommen noch Kleinfischarten vor wie Mühlkoppe (Groppe), Elritze, Barbe, Schmerle und Döbel (Weißfisch), selten Strömer, Schneider und Aal, als Durchzügler (bei Hochwasser) Hecht und Karpfe (Hermann Steigenberger). Wenn sich allerdings durch die Wärme in den Gewässern Algen explosionsartig vermehren, wird dies ein weiteres Aussterben von Fischen zur Folge haben. Hinzu kommen Kormoran und Gänsesäger, die die Fische dezimieren. Welche Verarmung seit 200 Jahren!
Äsche
Viele Fischereivereine bemühen sich, dem Fischsterben Einhalt zu bieten. Seit 2003 werden in den Bach-Zuläufen zur Argen Seeforellen eingesetzt und in der Argen auch Huchen als Besatzfische. Auch wird durch Kläranlagen versucht, die Wasserqualität zu verbessern und durch den Einbau von Schwellen oder Fischaufzügen die Bedrohung der Fischbestände abzumildern.
Muscheln
Bei den Muscheln sieht es kaum besser aus. Es gibt bei uns nur noch die Teichmuschel, die Bachmuschel lediglich im Schwarzenbach. Die Flussperlmuschel und Malermuschel sind schon lange ausgestorben.
Krebse
Im 19. Jh. gab es noch viele Krebse. Zengerle schreibt 1838, der Bezirk sei reich an Flusskrebsen, und in den Seen von Kißlegg und Beuren gebe es auch „herrliche größere Edelkrebse“ (S. 200) Diese Krebse werden auch in den OAB von Wangen und Leutkirch genannt, in Letzterer sogar der der seltene Kiemenfuß (S. 34). Heute sind sie nur noch in kleinsten Populationen vorhanden. Der Fischereiverein versucht zu retten, was noch zu retten ist (G. Pölzl).
Amphibien
Auch von Amphibien ist in den Quellen nur selten die Rede. Die Oberamtsbeschreibung (1841) nennt den auf der Adelegg bei Rohrrdorf vorkommenden Alpensalamander als Rarität, die OAB Leutirch die Kreuzotter. Und noch 1931 schreibt Pfarrer Schmid: „Eine Spezialität unter den Molchen lebt bei uns im Allgäu. Es ist der schwarze Alpensalamander. Auf ihn stößt man im schattigen, feuchten Argentale.“ Er wurde zwar noch am Ende des 20. Jhs. gesichtet und könnte noch in versteckten kleinen Seitentälern der Argen leben; aber es gibt keinen aktuellen Nachweis und gilt somit als ausgestorben.
Auch bei anderen Amphibien ist die Entwicklung besorgniserregend: Von den Lurchen, Molchen, Kröten und Schlangen sind in Baden-Württemberg 77 Prozent gefährdet. Im Bereich Argenbühl Gelbbauchunke, Laubfrosch und Moorfrosch ausgestorben. Der Kammmolch ist stark gefährdet, ebenso die Kupfer- und Kreuzotter. Schuld an dieser Entwicklung sind die Zerstörung von Feuchtbiotopen und die Straßen. Straßen und Wege zerschneiden Naturräume und erschweren die Biotopvernetzung. Und seit fast alle Straßen geteert sind und die Fahrzeuge entsprechend schnell unterwegs sind, führt dies zum Tod von vielen Insekten und Amphibien.
Zum Schutz der Amphibien engagieren sich in Ratzenried seit einigen Jahren eifrige Helfer: Hunderttausende dieser Tiere wurden beim Bruggweiher und Platzweiher eingesammelt, gezählt und über die Straße getragen. In einem einzigen Frühjahr wurden bis zu 22.000 Tieren gezählt (Erdkröte und Bergmolch; der Kammmolch ist äußerst selten, der Alpensalamander kein einziges Mal ???)). Wegen dieses überdurchschnittlichen Amphibienvorkommens wurde vor einigen Jahren am Artisberger Weiher eine Untertunnelung gebaut; eine solche wird nun auch am Bruggweiher geplant.
Weítere Artikel zu Fledermäuse Vögeln, Amphibien, Insekten usw. werden folgen.