Tiere

(s. auch Büchele, III, 94 ff. mit Quellenangaben)

Säugetiere

Die Geschichte der Ausrottung der Tiere ist so alt wie die der Menschheit. Manche Tierart verschwand, weil sie dem Menschen lebensbedrohend war, weil der Mensch ihr den Lebensraum streitig machte oder weil sich die klimatischen Bedingungen geändert hatten.

Mammut (Wikipedia)

Nach der Eiszeit, als im Allgäu eine arktische Vegetation allmählich den kargen Boden begrünte und noch weit und breit kein Mensch zu sehen war, wanderten in die eisfreien Gebiete Tiere ein wie Wollnashorn, Moschusochse, Mammut, Rentier, Riesenhirsch, Höhlenbär, Wisent, Wildpferd, Murmeltier, Steinbock, Gämse, Lemming, Schneehase, Schneehuhn und Schnee-Eule. Ein Fragment eines Mammutunterkiefers wird im Wangener Museum aufbewahrt. Und zeugt noch von dieser Epoche.

Sobald aber die Temperaturen einige Jahrtausende später allmählich weiter anstiegen und sich in der Warmzeit eine Klimaveränderung anbahnte, starben manche Arten aus, zogen sich die arktischen Tiere in die Alpen oder in die skandinavischen Länder zurück und machten Tierarten Platz, die in gemäßigterem Klima sich heimisch fühlten, wie z. B. Wolf, Bär, Wildkatze, Wildschwein, Auerochs, Fischotter und viele der heute noch existierenden Arten.

Seit der alemannischen Besiedlung (im Allgäu ab dem 7./8.Jh.) nahmen in unserer Region die Siedlungen immer mehr zu und wurde viel Wald gerodet. Dadurch und durch das herrschaftliche Jagdfieber verloren Tiere wie z.B. Wisent, Auerochs, Wildkatze, Adler, Kranich und Trappe ihren Lebensraum und starben mehr oder weniger aus. Bären, in Ratzenried durch Namen wie Berfallen und Bärenloo seit dem Mittelalter belegt, sind auch nachweislich im 16. Jahrhundert aus unserer Gegend verschwunden. Im Prozess zwischen der Grafschaft Eglofs und der Herrschaft Ratzenried von 1580 ist zum letzten Mal von Bären die Rede, die im Klingler und auch an der Roten Lache (bei Reute) gefangen wurden. Mit großem Stolz ließ Jos von Ratzenried einen Bärenkopf an der Wirtschaft aufhängen. Bis zum 17. Jahrhundert hatten sich die Bären bis in die Allgäuer Alpen zurückgezogen. Doch auch hier wurde ihnen der Garaus gemacht. 1693 zahlte die Herrschaft Waldburg-Wolfegg jedem Bauern 1 Gulden, der einen Bären in |der Nähe der Alpe Rohrmoos erlegte.

Im Gegensatz zu den Bären bildeten die Wölfe in harten Wintern sicherlich eine Bedrohung der Bevölkerung. Sie standen noch im 18. Jahrhundert auf der Abschussliste der Ratzenrieder Jäger. Ihre Ausrottung wurde vorangetrieben, indem der Abschuss einer tragenden Wölfin besser bezahlt wurde als der eines Wolfes.

Ebenfalls im 18. Jahrhundert wurden in unserer Gegend die Wildschweine ausgerottet, die auf andere Art lebensbedrohend waren, indem sie die Ernte schädigten. Der Luchs schließlich sollte erst im 19. Jahrhundert aus dem Allgäu verschwinden; 1840 wurde der letzte im Rettenschwanger Tal geschossen. Den letzten Alpenhasen unserer Gegend – schon 1841 in den Oberamtsbeschreibungen von Wangen und Leutkirch als Seltenheit genannt – erlegte 1885 der Wirt von Beuren im Rotholz.

Die Hirsche waren vor 1848 bei uns noch häufig und bei den herrschaftlichen Jagden als Trophäen beliebt – weniger allerdings bei den Bauern, da sie oft in den Getreideäckern Schaden anrichteten. Nach der Bauernbefreiung von 1848 nahm die Zahl der Hirsche schnell ab, nachdem die Bauern Waldbesitzer geworden waren. Gämsen wurden um 1930 noch bei Christazhofen und Friesenhofen gesichtet, doch sind sie inzwischen bei uns nur noch in den Alpen und vereinzelt auf der Adelegg anzutreffen. Rehe dagegen waren und sind bei uns häufig; als große Seltenheit wurde 1890 in Ratzenried eine gehörnte Rehgeiß geschossen.

Fischotter waren laut Oberamtsbeschreibung von 1841 noch „in ziemlicher Menge“ vorhanden, und auch am Vallerayer Weiher wurde noch einer erlegt. Noch in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts fing der Hammerschmied von Gottrazhofen mehrere Fischotter an der Argen. Inzwischen sind sie längst ausgerottet.

Fischotter

Der Biber, der ausgerottet war, ist in neuester Zeit durch strenge Schutzmaßnahmen wieder auf dem Vormarsch, ebenso der Bär und der Wolf. Aber immer wieder gibt es Interessenskonflikte zwischen dem Naturschutz und den Bauern.

In neuester Zeit ist eine weitere Säugetierart aufs Ärgste bedroht: das Allgäuer Braunvieh. Entgegen dem ersten Eindruck handelt es sich nämlich beim heutigen Allgäuer Vieh nicht um das Allgäuer Braunvieh, sondern um eine Kreuzung mit der aus den USA importierten Rasse „Brown Swiss“. Dadurch wurden die Tiere größer und schwerer und stieg die Milchleistung an; demgegenüber nahm die Eignung zur Mast deutlich ab. Vom echten Allgäuer Braunvieh gibt es nur noch wenige hundert Exemplare (u.a. bei Anton Albrecht in Enkenhofen), und das Allgäuinstitut setzt sich für den Erhalt dieses typischen Alläuer Viehs in besonderer Weise ein.

Während einerseits Tierarten ausstarben, dringen andererseits invasive Tierarten (wie z.B. der Waschbär) bei uns ein und verdrängen heimische Tierarten. So macht sich auch auf diese Art die Globalisierung negativ bemerkbar.

Fische

Über das Fischvorkommen gibt es wenige Quellen. In den Fischereibüchern der Herrschaft Ratzenried aus dem 18. Jh. werden Hechte, Karpfen und „Ubinge“ (?) erwähnt, die in den Weihern gefangen wurden. Zengerle nennt 1838 die „Gemeine Forelle; sie ist sehr häufig, von vorzüglicher Qualität und in vielen Quellwassern vorkommend.“ Karpfe, Weißfisch und Hecht seien häufig, Schleihe weniger häufig und Barbe schon seltener. Außerdem nennt er Bartgründel, Flussbarsch und Weller. „Diese Fische finden sich namentlich in den Seen von Kißlegg und Beuren, werden oft erstaunlich groß, so dass schon solche Weller von 20-30 Pfund gefangen wurden.

Die Oberamtsbeschreibung von Wangen (1841) nennt Hechte, Karpfen und Weller in den Seen und Weihern, Forellen und Barben in den Flüssen. In der OAB Leutkirch (1843) werden erwähnt: Karpfe, Barbe, Schleihe, Weißfisch, Rotauge, Gräßling (C. Gobio), Brachse, Orfe (C. Jeses), Forelle, Äsche, Huchen, Grundforelle, Hecht, Treische, Grundel, Groppe, Barsch (Perca fluviatilis), Aal und Weller.

Durch Pfarrer Schmid (1931) erfährt man, dass in den Seen, Weihern und fließenden Gewässern Schmerle, Gruppe (Groppe), Barsch, Flussbarsch, Äsche, Alpenforelle, Aal, Hecht, Karpfen, Schleie, Bartgründel, Weißfisch, Barbe und sogar 50- bis 60pfündige Weller (Welse) lebten. „In der Argen und den meisten unserer Bäche (!) stehen Forellen. Die Argenforellen sind die schmackhaftesten (!) und gesuchtesten, weil sie in einem frischen Gebirgswasser (!) leben.“

Seither ist von dem „frischen Gebirgswasser“ nicht mehr viel übrig, und ist der Fischbestand in der Argen stark zurückgegangen. Die Ursachen dafür sind die in die Argen gelangenden Abwässer, Jauche und Herbizide sowie die Kanäle, durch die ein großer Teil des Wassers für die Wasserkraftwerke abgezweigt wird und die Argen zu einem Rinnsal verkommt. Auch hier gilt: „Fortschritt“ und Technik gegen die Natur. Inzwischen kommen der Klimawandel und die damit zusammenhängende Wassererwärmung hinzu.

Die Entwicklung ist erschreckend: Die Fischfauna in Baden-Württemberg ist mehr oder weniger stark gefährdet, was sich im Spiegel der „Roten Liste der Fischarten“ zeigt: Von den ursprünglich 57 einheimischen Fischarten gelten 17 (29,8 %) als ausgestorben bzw. extrem selten, 20 Arten (35,1 %) sind stark gefährdet bzw. selten, 8 Arten (14 %) sind gefährdet und nur 12 Arten (21 %) sind in ihrem Bestand gesichert. (Zahlen nach P. Agn. Naturschutz 1990/91, S, 43

Für die Untere Argen gilt für den Bereich Thalerschachen bis Pflegelberg: Die oben genannten Fische wie Äsche, Flussbarsch, Alpenforelle, Hecht, Schleie und Bartgründel sind ausgestorben, und in den nächsten Jahren werden auf Grund der Wassererwärmung die jetzt schon sehr seltene Trüsche und die Bachforelle folgen. Bei der Letzteren ist die natürliche Fortpflanzung schon seit Jahren nicht mehr nachweisbar (dagegen noch in der Oberen Argen zwischen Staudach und Hiltensweiler). In der Argen kommen noch Kleinfischarten vor wie Mühlkoppe (Groppe), Elritze, Barbe, Schmerle und Döbel (Weißfisch), selten Strömer, Schneider und Aal, als Durchzügler (bei Hochwasser) Hecht und Karpfe (Hermann Steigenberger). Wenn sich allerdings durch die Wärme in den Gewässern Algen explosionsartig vermehren, wird dies ein weiteres Aussterben von Fischen zur Folge haben. Hinzu kommen Kormoran und Gänsesäger, die die Fische dezimieren. Welche Verarmung seit 200 Jahren!

Äsche

Viele Fischereivereine bemühen sich, dem Fischsterben Einhalt zu bieten. Seit 2003 werden in den Bach-Zuläufen zur Argen Seeforellen eingesetzt und in der Argen auch Huchen als Besatzfische. Auch wird durch Kläranlagen versucht, die Wasserqualität zu verbessern und durch den Einbau von Schwellen oder Fischaufzügen die Bedrohung der Fischbestände abzumildern.

Muscheln

Bei den Muscheln sieht es kaum besser aus. Es gibt bei uns nur noch die Teichmuschel, die Bachmuschel lediglich im Schwarzenbach. Die Flussperlmuschel und Malermuschel sind schon lange ausgestorben.

Krebse

Im 19. Jh. gab es noch viele Krebse. Zengerle schreibt 1838, der Bezirk sei reich an Flusskrebsen, und in den Seen von Kißlegg und Beuren gebe es auch „herrliche größere Edelkrebse“ (S. 200) Diese Krebse werden auch in den OAB von Wangen und Leutkirch genannt, in Letzterer sogar der der seltene Kiemenfuß (S. 34). Heute sind sie nur noch in kleinsten Populationen vorhanden. Der Fischereiverein versucht zu retten, was noch zu retten ist (G. Pölzl).

Amphibien

Auch von Amphibien ist in den Quellen nur selten die Rede. Die Oberamtsbeschreibung (1841) nennt den auf der Adelegg bei Rohrrdorf vorkommenden Alpensalamander als Rarität, die OAB Leutirch die Kreuzotter. Und noch 1931 schreibt Pfarrer Schmid: „Eine Spezialität unter den Molchen lebt bei uns im Allgäu. Es ist der schwarze Alpensalamander. Auf ihn stößt man im schattigen, feuchten Argentale.“ Er wurde zwar noch am Ende des 20. Jhs. gesichtet und könnte noch in versteckten kleinen Seitentälern der Argen leben; aber es gibt keinen aktuellen Nachweis und gilt somit als ausgestorben.

Auch bei anderen Amphibien ist die Entwicklung besorgniserregend: Von den Lurchen, Molchen, Kröten und Schlangen sind in Baden-Württemberg 77 Prozent gefährdet. Im Bereich Argenbühl Gelbbauchunke, Laubfrosch und Moorfrosch ausgestorben. Der Kammmolch ist stark gefährdet, ebenso die Kupfer- und Kreuzotter. Schuld an dieser Entwicklung sind die Zerstörung von Feuchtbiotopen und die Straßen. Straßen und Wege zerschneiden Naturräume und erschweren die Biotopvernetzung. Und seit fast alle Straßen geteert sind und die Fahrzeuge entsprechend schnell unterwegs sind, führt dies zum Tod von vielen Insekten und Amphibien.

Zum Schutz der Amphibien engagieren sich in Ratzenried seit einigen Jahren eifrige Helfer: Hunderttausende dieser Tiere wurden beim Bruggweiher und Platzweiher eingesammelt, gezählt und über die Straße getragen. In einem einzigen Frühjahr wurden bis zu 22.000 Tieren gezählt (Erdkröte und Bergmolch; der Kammmolch ist äußerst selten, der Alpensalamander kein einziges Mal ???)). Wegen dieses überdurchschnittlichen Amphibienvorkommens wurde vor einigen Jahren am Artisberger Weiher eine Untertunnelung gebaut; eine solche wird nun auch am Bruggweiher geplant.

Weítere Artikel zu Fledermäuse Vögeln, Amphibien, Insekten usw. werden folgen.

Bäume

Wald

Nach der Eiszeit waren es zuerst die Zwergbirken, Wacholder und Waldkiefern, die den kargen Boden des Allgäus besiedelten und ihm ein tundraähnliches Aussehen gaben.

Nachdem die Temperaturen in der Vorwarmzeit (8200-6800 v. Chr.) weiter gestiegen waren, zogen sich die arktischen Bäume in die Alpen zurück; nur in den Mooren konnten sich einzelne Baumarten behaupten und sind bis heute Relikte der Nacheiszeit – z. B. die Zwergbirke und die Moorkiefer (Spirke). Gleichzeitig mit der Erwärmung des Klimas drängte die Hasel die Waldkiefer stark zurück. In der Folge wurden dann Ulme und Eiche bei uns heimisch und entstand so ein Eichen-Mischwald. In der frühen Warmzeit (6800-5500 v. Chr.) kam dann die Linde dazu.

Erst ab 2500 v. Chr. tauchten Tanne und Buche auf (Buchen-Tannenwald), ab ca. 800 v. Chr. die Fichte. Dieser Mischwald prägte jahrtausendelang das Landschaftsbild des Allgäus, ebenso wie die vielen Seen und Moore. Auf einer Schautafel im Arrisried kann man diese Entwicklung ablesen. In manchen Tobelwäldern entlang den Steilhängen der Unteren Argen hat sich noch manch Ursprüngliches erhalten.

Buchen-Tannenmischwald

Seit der alemannischen Besiedlung wurde der Wald durch die Rodungen und den Holzbedarf immer weiter zurückgedrängt; außerdem war er durch den Wildfraß, die Waldweide (die Kühe weideten das Laub ab und die Schweine fraßen die am Boden liegenden Eicheln), das Harzen, den Verbrauch beim Hausbau, als Brennholz, bei der Kohlegewinnung und den Glasbläsern sowie in den Kalköfen so stark bedroht, dass die Herrschaften immer wieder durch Verbote regulierend einschreiten mussten. Es ist nicht auszuschließen, dass die gewaltigen Rodungen des Mittelalters die im 14. Jahrhundert erfolgte Klimaänderung mit herbeigeführt haben – welche Parallele zu heute und zu den wegen der Windräder gerodeten Wälder!

Wegen der vielen Rodungen gab es im 18. Jh. in Ratzenried nur noch knapp 200 ha Wald (bei einer Gesamtfläche von 1378 ha). Der Wald hatte sich auf rund 1/4 seines ursprünglichen Bestandes verkleinert. Rückzugsgebiete der Wälder waren die steilen Argen- und zur Argen führenden Bachtobel sowie die wirtschaftlich ungünstigen Berghöhen. (Sie sind es bis heute geblieben.) Typisch war immer noch der Mischwald aus Tanne, Fichte, Buche, Esche, Birke, Ulme, Ahorn, Kiefer, Legforche, Lärche, Linde und Eibe. Die Eichen waren in den Wäldern selten; sie säumten die Waldränder, Berghöhen, Weiherdämme und Feldraine oder standen vereinzelt auf dem Feld.

Die Entwicklung vom Mischwald zur Fichtenmonokultur begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach der bedrohlichen Dezimierung der Waldflächen bis zu diesem Zeitpunkt sollte der Wald möglichst schnell und gewinnbringend aufgeforstet werden – mit der schnell wachsenden Fichte. Die Radikalkur war in Ratzenried besonders drastisch: Schon 1824 gab es hier keine Laubwälder mehr.

Immerhin war in Ratzenried aber durch die Pflanzung von Fichten die Waldfläche zwischen 1756 und 1841 von rund 200 ha auf 354 ha gestiegen. (Trotz der überall im württembergischen Allgäu erfolgten Aufforstung beträgt hier noch heute die Waldfläche nur 28 Prozent gegenüber 37 Prozent in Gesamtwürttemberg.)

Die Entwicklung zur Fichtenmonokultur hat sich – analog zur Grünlandmonokultur – bis heute fortgesetzt und die Laubhölzer auf 5 Prozent zurückgedrängt. Zusätzlich wurden – nachdem in Ratzenried bis 1950 die Waldfläche auf 161 ha gesunken war – ehemalige Wiesen mit Fichten aufgeforstet, so dass es hier 1964 wieder 215 ha Wald gab. Die dunklen Fichtenwälder haben das Gesicht des Allgäus drastisch verändert. Der Wald ist vom Lebensraum zur Holz-Produktionsanlage geworden – soweit er nicht schon durch das Waldsterben zum Friedhof geworden ist. „Bunt sind schon die Wälder“ – ein Lied mit herbem Beigeschmack.

In den letzten Jahrzehnten wurde allerdings der Wert der Mischwälder wieder erkannt, weil die Fichten sehr sturmanfällig sind und dem Borkenkäfer zum Opfer fallen. Allerdings gibt es nun auch das Eichen- und Eschensterben.

Nach den Bemühungen um den Wald droht nun wieder ein Gegenschlag: Die Windräder im Dorfer und Siggener Wald. Wegen der von der Windradlobby getriebenen Politik wird der Wald quasi als ein lebens- und fast rechtsfreier Raum angesehen. Und dabei haben dieselben Politiker vor einigen Jahrzehnten das Waldsterben angeprangert. Der Klimawandel sei schuld. Dagegen soll nun der Wald sterben, um das Klima zu retten!  Während anderswo Wälder neu gepflanzt werden, um klimaschädliches CO2 zu speichern, wird für die Windräder Wald abgeholzt, der bisher eigentlich COs speicherte

Gerade im Zuge des Klimawandels bekommen die Geschlossenheit des Kronendachs der Wälder und der Naturwald statt Monokulturen zentrale Bedeutung. Dagegen würden Windräder große Löcher in den Wald reißen, was gleichzeitig  zur Klimaerwärmung beiträgt. Man setzt durch Abholzen der Wälder riesige Mengen an Treibhausgasen frei, entblößt und verdichtet die Waldböden und wundert sich, dass die dort neu gepflanzten, angeblich „klimaangepassten“ Baumarten wieder vertrocknen. Man tut also im Grunde alles, was wald- und klimaschädlicher nicht sein kann. Die riesigen Windräder würden  unseren Gemeinwohl-Wäldern den Rest geben. Durch Rodungen würden außerdem vermehrt Sturmschäden auftreten, weil der Wind eine größere Angriffsfläche hätte.

Wälder sind Kaltluft- und Frischluftentstehungsgebiete, kühlen die Umgebung um zehn Grad herunter und begünstigen neue Regenentstehung. Zur Klimaanpassung puffert intakte Natur Extremereignisse ab. In Wäldern mit intakten Böden verbleiben über 90% des Niederschlages. Ausgerechnet dort Energieanlagen zu bauen, die  angeblich dem Klima helfen, ist absurd.

Durch die Rodungen und die Windräder verliert das Wild (s. Artikel Tiere) seinen angestammten Lebensraum und wird durch Bodenvibrationen, Lärm, Feinstaub, Luftdruckimpulse, Schattenwurf (s.u. bei Gesundheit) und Waldzerstückelung beeinträchtigt.

Der Wald ist nicht nur ein Refugium für Tiere, sondern auch Erholungswald für Einheimische und Touristen. Indem die Menschen im Wald den Erholungswert des „Waldbadens“ entdeckt haben, wird ihnen auch wieder die Einheit von Mensch und Natur bewusst. Dieser Wert des Waldes würde also zerstört.

Immerhin gibt es noch verhältnismäßig urwüchsige Tobel- und Auenwälder entlang dem Nordhang der Unteren Argen, weil sie schwer zugänglich sind und deshalb dem Profitstreben noch nicht zum Opfer gefallen sind. Es sind in gewisser Weise Reste eines „Allgäuer Urwalds“.. Besonders erwähnenswert sind der Argentalhang in einer Nische im steilen Oberhang mit seinem geißbartreichen Schluchtwald, der Auenwald im Talgrund bei Ahegg/Ratzenried mit seiner Vegetation, der rutschige, quellenreiche Talhang mit kalkreichem Buchen-Eschenwald im Argental zwischen Dürren und Argenmühle und der Geißbart-Schluchtwald im Geißertobel bei Eggen (oberhalb des Arnsberger Steges, auch der artenreiche Buchen-Tannenwald im Buchholz westlich von Ratzenried auf einem Moränenhügel Richtung Geißertobel (Baur S. 47, 48, 56-58, ). Inwieweit diese Beobachtungen aus der Zeit um 1950 noch gültig sind, ist zweifelhaft.

Rückzugsgebiete sind auch die Moore, besonders das Arrisried. Hier existiert noch die oben erwähnte Spirke, die zu den seltensten einheimischen Baumarten gehört und als gefährdete Art auf der roten Liste steht.

Waldboden

Der Waldboden ist Lebensgrundlage für Bäume, Pflanzen, Pilze und Bioorganismen. Er ist an der Grundwasserneubildung beteiligt, speichert Niederschläge, stellt es der Vegetation zur Verfügung und reduziert gleichzeitig den oberflächigen Abfluss, der bei hohen Niederschlägen zum Überlaufen der Flüsse führt. Dabei speichert er das lebenswichtige Wasser und speist damit Quellen. Böden wirken auch als Puffer und Filter gegenüber Schadstoffen. Damit schützen sie insbesondere das Grundwasser. Da sie Kohlenstoff speichern, helfen sie, den Treibhauseffekt zu begrenzen. Zusätzlich sind sie an der Stoffumwandlung beteiligt, d.h. dass Schad- und Nährstoffe umgewandelt, gespeichert und teilweise auch abgebaut werden können.

Durch die Windkraftanlagen und die dafür erforderlichen Zufahrten würden dagegen große Flächen verdichtet und versiegelt, die Flora verdrängt und der Grundwasserverlauf gestört. Die Zufahrten müssten immer wieder für Wartungs- und Reparaturarbeiten unterhalten werden. Aufgrund der Höhe der Anlagen ist eine tiefgründige Verankerung im Boden erforderlich, die massiv in die zu schützende Geomorphologie der Waldgebiete eingreifen würde. Nach Abbau der Windräder bleibt der Waldboden auf lange Zeit geschädigt.

Naturdenkmale

Nur noch wenige inzwischen als Naturdenkmale eingestufte Laubbaumriesen künden in Ratzenried von den Zeiten des bunten Allgäuer Waldes. Von den erwähnten Eichen stehen nur noch rund 10 Prozent des alten Bestandes.

Eichenallee auf dem Damm des ehemaligen Klinglerweihers

Die Eichenallee auf dem Damm des ehemaligen Klinglerweihers dürfte aus dem 18. Jh. stammen. 1841 war der Kögelegg von einem „Kranz von Eichen“ bestanden, von dem heute noch eine einzige vorhanden ist.

An prächtigen Linden gibt es ebenfalls nur noch wenige. Die Dorflinde, 1701 bei der Kirchhoftreppe gepflanzt, die „Friedenslinde“, 1871 anlässlich des Friedens von Frankfurt als mittlere Linde gepflanzt und die vordere Linde sind alle der Dorfplatzgestaltung 1973 zum Opfer gefallen. „Gestaltung“ und Teer statt Natur.

Linde beim Bruggweiher

Eine Besonderheit ist die Linde beim Ratzenrieder Bruggweiher mit einem Stammumfang von fast 10 Metern und einer Höhe von ca. 30 Metern. Sie wurde im Buch „Die hundert schön-sten Bäume Deutschlands gewürdigt und zieht viele Besucher an – nicht zuletzt wegen des Lochs, durch das man schlüpfen und angeblich Krankheiten abstreifen kann.

Ein Naturdenkmal besonderer Art war der Park beim Schloss Ratzenried. Um 1845 pflanzte hier der Graf von Beroldingen beim Schlossweiher und in den „Anlagen“ (Fortsetzung des Parks) eine bunte Mischung von Laubbäumen an. Leider wurden fast all diese inzwischen zu Riesen gewachsenen Bäume des Parks gefällt. Und die Hecke, die einst den Park umgab, wurde samt dem Eingangstor und den 2 Bärenfiguren der Straßenverbreiterung mit unnötiger Abbiegespur geopfert. Somit ist der Charakter des Parks weitgehend verloren.

Obstbäume

(mehr dazu: Büchele II, 436, 704; III, 77 ff., 436, 441, 576 mit jeweiligen Quallenangaben)

Das Allgäu ist als Anbaugebiet für Obst nicht gerade ideal. Freilich darf man nicht vergessen, dass das Klima vor dem Klimawechsel des 14. Jahrhunderts sicherlich günstiger war. Hinweise auf den Anbau von Äpfeln und Birnen in unserer Gegend gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. In einem Erbvertrag von 1492 regelten die Vögte von Leupolz die Verteilung des Fallobstes, der Äpfel und der Birnen. Wie umfangreich damals der Obstanbau war, ist allerdings nicht klar.

Erst seit dem 18. Jahrhundert gibt es für Ratzenried diesbezüglich genauere Hinweise. Damals förderte nämlich die Ratzenrieder Herrschaft die Pflanzung von Bäumen und hielt die Untertanen an, „die Bäume aller Orthen wohl zu versorgen, junge Bäume fleißig anzubinden, vor Vieh mit Dörner (Dornen) wohl zu verwahren, mit s. v. (= man entschuldige den Ausdruck) Kuehlachen zu beschütten, zu putzen, Fäulnisstellen mit Salbe aus s. v. Kuhfladen und Letten zu bestreichen und schadhafte Bäum und sog. Krippel auszumustern und neue zu setzen.“ 1774 einigten sich der Ratzenrieder Pfarrer und sein Widdumbauer, dass ersterer „alles zahme und guette Obst (Äpfel, Bieren und Zwetschgen“, letzterer das „wilde Obst“ (Holzäpfel und Birnen) bekomme, die Kirschen aber geteilt werden.

Wie begehrt das Obst war, zeigen auch die Verbote, „Bieren und Äpfel weder bei Tag noch bei Nacht dem anderen abzuschütteln“.

Der Aufschwung des Obstanbaus im Allgäu hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass seit dem 17. Jahrhundert das Weintrinken außer Mode gekommen und vielleicht auch zu teuer geworden war. Im Ratzenrieder „Ochsen“ kostete 1781 ein Viertel Wein immerhin 7-10 Kreuzer, dagegen 1 Viertel Holzäpfelwasser 6 Kr. und ein Viertel Bierbranntwein sogar nur 4 Kr.

Dies zeigt, dass bei der Obstverwertung vor allem das Branntweinbrennen eine Rolle spielte. Tatsächlich erhielten verschiedene Ratzenrieder Bauern seit dem 17. Jahrhundert von der Herrschaft die Erlaubnis, Branntwein herzustellen. Zum Brennen verwendeten sie Holzäpfel und -birnen. Obstanbau und Branntweintrinken waren mit der Zeit im Allgäu derart häufig, dass M. Buck dies geradezu typisch für das Allgäu ansah gegenüber dem Weißbiertrinken in Oberschwaben. Freilich geriet das Branntweintrinken schon bald in die Negativ-„Schlagzeilen“. 1770 kritisierte die Ratzenrieder Herrschaft in einem Maiengebot das Überhandnehmen des „schädlichen Branntweintrinkens“ und drohte, dass „diejenige Leut, welche berauscht oder betrunken erfunden werden, ohnfehlbar bestrafft werden.“

Am Anfang des 19. Jahrhunderts muss der Obstanbau wieder nachgelassen haben, denn 1841 beklagte Pauly in seiner Beschreibung des Oberamts Wangen, dass dieser dem Allgäuer fremdartig sei. „Seine Lebensart macht ihm das Obst weniger zum Bedürfnis. Die rauheren Gattungen, welche das Klima ertrügen, weiß man nicht zu verwenden, da der Obstmost keinen Eingang findet; milderes Obst zum Rohessen, Kochen und Dörren bezieht man wohlfeil von den Bodenseegegenden….. Doch sieht man immer mehr auch in den höher gelegenen Gegenden hie und da sorgfältig gehaltene Baumgüter. Auszeichnung verdient in dieser Hinsicht der Gemeinderat Schobloch von Oberharprechts, der seit dem Jahr 1820 eine Baumanlage mit einer großen Baumschule besitzt, deren schöner Stand in der Tat Bewunderung erregt und die von sehr förderlicher Einwirkung auf die ganze Gegend ist.“

Auch in Leutkirch gab es eine nicht unbedeutende Baumschule, aus der hauptsächlich die für den Baumbesatz an den Landstraßen erforderlichen Bäume billig abgegeben wurden. Die in die Orte herein ziehenden Neubürger waren nämlich verpflichtet, auf der Allmende oder an den Straßenrändern zwei Obstbäume zu pflanzen. So waren nun die Straßen gesäumt von langen Obstbaumalleen, was also ebenfalls das Bild des Allgäus prägte.

im Foto oben: Straße von Ratzenried nach Süden mit Obstbaumallee (ca. 1955), ganz oben: Burgruine

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Obstanbau durch den Obstbauverein Wangen dann noch weiter intensiviert (Büchele II, 576). Vermutlich erst seit dieser Zeit kam bei uns das Mosttrinken in Mode.

Über die alten Obstsorten gibt es nur wenige Hinweise. Die Holzbirnen und -Äpfel sind sicherlich am ältesten; Pauly nennt im 19. Jahrhundert den „Isnyer Jahrapfel“, eine Art Reinette, und eine in der Isnyer Gegend eigentümliche Birnensorte, die sog. Rotbirne, die besonders zum Dörren geeignet war. Die letzten Bäume dieser Sorte fielen in Eisenharz um 2000 einem Baugebiet zum Opfer.

Auch Kirschen und Zwetschgen gab es bei uns schon in früheren Jahrhunderten; sie wurden häufig zu Branntwein verarbeitet. Pauly empfahl 1841 eine besondere Kultivierung der im Allgäu verbreiteten schwarzen Waldkirsche, da das „aus derselben bereitete Kirschenwasser auswärts guten Absatz findet und selbst nach Frankreich geht“.

Im Jahr 1847 gab es so viele Äpfel, Birnen und Zwetschgen, dass Bauer Kolb aus Reute es für Wert befand, dies auf seinem Stubentäfer handschriftlich zu verewigen.

Hier Zahlen zu den Obstbaumsorten im Oberamt Wangen:

 ApfelbäumeBirnbäumePflaumenbäumeKirschenbäume
18783388822203106284695
1884333102320484673212
1905489342865577141719

Noch in der 1. Hälfte des 20. Jhs. blühte im wahrsten Sinn des Wortes der Obstanbau. 1931 besaß z.B. Bauer Hecht in Alperts: 64 Apfelbäume, 36 Birnbäume, 19 Zwetschgenbäume, 14 Kirschbäume und 3 Pflaumenbäume. Jeder Bauer hatte seine eigene „Buind“ (Boint), d.h. Obstbaumwiese.

Streuobstwiese bei Weihers (Ratzenried)

Viele Apfel- und Birnensorten hatten sich im Laufe der Zeit als für unser Klima ideal herausgestellt. Um 1990 konnte ich durch Befragung erfahren, dass folgende Obstsorten bei uns bekannt waren:

Birnen

Blutbirne
Butterbirne
Gelbmöstler
Goißhirtle
Haberbierê (frühe Tafelsorte)
Holzbirne
Jagdbirne
Luxemburger Mostbirne

Oberösterreicher
Pastorenbirne
Philippsbirne
Rotbirne
Schweizer Mostbirne
Seebirne
Tafelbirne

Äpfel

Allgäuer Kalvill
Ananasreinette
Berlepsch (Freiherr v.)
Berner Rose
Biestenfelder
Bittenfelder
Bohnapfel
Boskpop (gelb und rot)
Boiker
Bräunling
Brettacher
Buier (Most)
Champagner Reinette
Cox Orange
Danziger Kant
Eschacher Mostapfel
Fießers Erstling
Flandrischer Rambour
Gewürzluike
Glockenapfel
Golparmäne
Gravensteiner
Hinznanger
Holstein Cox
Holzapfel
Horneburger Pfannkuchen
Isnyer Jâhrapfel (grün und rot)
Jacob Lebel
Jacobapfel
Jockebacher
Jonathan
Kaiser Wilhelm
Kickacher (= Ravensburger)
Klarapfel

Krügers Dickstiel
Landsberger
Mautzen
Musch (Josef)
Oberländer (Jacob Foischer)
Olgaapfel
Ontario
Orangenapfel (Schweizer)
Pfeffermintapfel
Ravensburger
Reinette von Zabergäu
Roller
Rotapfel
Rote Sternreinette
Ruhm aus Kirchwerder
Russenapfel
Russapfel (frühe Sorte)
Schafsnase
Schöner von Herrenhut
Schöner vom Schussental
Schwaikheimer Rambour
Sießling
Signetillisch
Spitzeknobler
Stettiner („Schneller“)
Taffetapfel („Dapfetepfl“)
Teuringer Rambour
Transparent
Wachsreinette
Weinapfel
Weißer Winterkalvill
Welschisner
Zenderling
Zuccalmaglio

Steinobst

Zipperle (grüne Zwetschgen, ähnlich Reine Claude)
Griêchêlê (blau, ähnliche Form wie Mirabelle)
Griêsbr (Kirsche)

Feldweg zwischen Artisberg zund Valleray. Wie malerisch ist eine mit Obstbäumen gesäumte Straße, und wie kahl, naturfern und leblos ist eine Teerstraße

Seit den 50er Jahren des 20. Jhs. erlitt jedoch der Obstbau gewaltige Einbußen, weil das Biertrinken bequemer und „moderner“ war und die Landwirtschaft durch den „Grünen Plan“ und das Motto „Wachsen oder weichen“ zur Steigerung der Erträge gedrängt wurde. Nun standen die Obstbäume dem Traktor im Weg; auch dem Straßenbau fielen die Baumalleen zum Opfer. Wo Obstbäume noch stehen, werden sie leider kaum mehr gepflegt und verwahrlosen zusehends. Auch auf diese Weise ändert das Allgäu sein Landschaftsbild.

Inzwischen hat man den Wert der Streuobstwiesen als besondere Biotope erkannt und versucht, durch Zuschüsse und Überzeu-gungsarbeit gegenzusteuern. Aber die alten und bewährten Sorten sind größtenteils vergessen und werden durch neue Züchtungen ersetzt, die für das Allgäu gar nicht typisch sind.

Vergleicht man die heutigen Sorten mit den oben aufgelisteten, versteht man, welche Verarmung die Obstbaumsorten erfahren haben.

Hecken

Seit uralter Zeit wuchsen die Hecken an Bächen, Feldrainen und Böschungen, teils als natürliche Zäune, teils als Windschutz, teils ganz einfach deshalb, weil sie nicht „störten“ und außerdem die Landschaft gestalteten. Zudem standen sie an Grundstücks-, Weiler- oder Öschgrenzen. Die Hecken waren besonders wichtig für Vögel und Insekten.

Heute sind die „blühenden Hecken“, die Pfarrer Schmid noch 1931 als malerischen Aspekt des Allgäus rühmte, fast alle verschwunden, weil sie als „unproduktive Bestandteile der Landschaft“ erschienen, dem Traktor im Wege standen oder durch ihren Schatten angeblich eine Ertragsminderung hervorriefen. Letzte Reste von Hecken (meist Schlehenhecken) sind nur noch an Waldrändern zu sehen. Beim Anblick der weitgehend „ausgeräumten“ Landschaft stellt man fest, dass auch in dieser Hinsicht die Monokultur gesiegt und das Gesicht des Allgäus verändert hat.

Letzte Reste davon sind in Ratzenried noch auf dem Steineberg (zwischen Ratzenried und Berg), östlich von Weihers (alte Grenze zwischen Platz und Weihers) und nördlich von Alperts (Grenze zwischen Oberried und Alperts) zu sehen. Solche Hecken waren sogar „Landesgrenzen“: Beispiele dafür sind noch die Hecken südwestlich von Kögelegg/Zimmerberg und südlich von Valleray, Reste der einstigen „Landesgrenze“ zwischen der reichsunmittelbaren Herrschaft Ratzenried und der Reichsstadt Wangen. Weil sie die verschiedenen Rechte abgrenzten, hieß man sie „Friedhag“. So kann man sich leicht vorstellen, dass die Allgäuer Landschaft durch die Vielzahl der Hecken ein ganz anderes Gesicht gehabt haben muss als heute, ungefähr in der Art mancher Landstriche in Schleswig-Holstein, in der Normandie oder in der Bretagne. Die Beurener hießen geradezu „Boscher“, weil ihr Dorf ganz von Gebüsch umgeben war.

Friedhag bei Zimmerberg

Zwar werden in Neubaugebieten um die Grundstücke Hecken gepflanzt, doch auch hier haben durch die Monokultur in Form von untypischen aber „pflegeleichten“ Koniferen Einzug gehalten.

Inzwischen gibt es auch bei den Hecken ein Umdenken, weil man wieder sich daran erinnert, dass die Hecken wichtige Biotope sind und Vögeln als natürlichen Schädlingsbekämpfern Unterschlupf bieten, ja, sogar eine Ertragssteigerung herbeiführen können, weil sie eine optische Belebung der monotonen Landschaft sind, Bodenerosion verhindern, die Windgeschwindigkeit und die Kaltluft verringern und Wasser speichern. Allerdings: Auf den landwirtschaftlichen Flächen wird wohl kein Bauer mehr eine Hecke pflanzen.

Pflanzen

Auf den von der Eiszeit hinterlassenen Geröllflächen breitete sich in vielen Jahrhunderten allmählich eine arktische Vegetation aus, die dem heutigen Nordfinnland geähnelt haben mag. Erst in der Vorwarmzeit (8200-6800 v. Chr.), nachdem die Temperaturen weiter gestiegen waren, entstand eine geschlossene Pflanzendecke. Interessant ist, dass sich durch Pollenuntersuchungen im Arrisried diese Entwicklung der Vegetation nachvoll-ziehen lässt. Die Analysen sind für den Fachmann wie ein aufgeschlagenes Buch der Vegetationsgeschichte, ja, sie belegen sogar die ersten Versuche der Siedler um 1500 v. Chr., unsere Gegend urbar zu machen und Getreide anzubauen – also erst rund 10.000 Jahre, nachdem das Eis zurückgewichen war. Seit dieser Zeit wurde demnach der Urwald mehr und mehr zurückgedrängt; an seine Stelle traten nach und nach die Nutzpflanzen. In den Wäldern aber – besonders im Argental, in den Nieder- und Hochmooren und in den höher gelegenen Bergregionen – konnten noch viele Pflanzen aus der Nacheiszeit überleben. Eine besondere Pflanze hat sich im Argental erhalten: der Winterschachtelhalm. Er wirkt wie ein Mini-Relikt der riesigen Schachtelhalme der Saurierzeit.

Winterschachtelhalm

Erst durch die Rodungen der Keltenzeit und des Mittelalters konnten die Wiesen und Weiden entstehen, wobei je nach Standort unterschiedliche Gräser und Kräuter dominierten. Auf trockenen Weiden wuchsen Silberdistel und Salbei, auf den frischen Wiesen Margerite und Schlüsselblume und auf den Feuchtwiesen Orchideen und Sauergräser. Die landwirtschaftliche Fläche war allerdings zu 2/3 dem Ackerbau gewidmet. Dieses bunte Mosaik wusste der Mensch vielfältig zu nutzen: Die Äcker zu Nahrung und die Wiesen als Feucht- und Streuwiesen, als Weiden und als kostenlose Apotheke.

Dieser Zustand des harmonischen Verhältnisses zwischen Mensch und Natur hielt an, solange es keine Intensivwirtschaft gab. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Hoch- und Niedermoore und das Argental Refugien der nacheiszeitlichen Vegetation, die das württembergische Allgäu zu einem einmaligen Pflanzenparadies innerhalb Württembergs machten. Pauly schreibt in der Oberamtsbeschreibung von 1841: „Obgleich die Vegetationsverhältnisse des Oberamts Wangen noch keineswegs zur Genüge erforscht sind, so lässt sich doch nicht bestreiten, dass dieser Bezirk an Pflanzen, die im Allgemeinen in Württemberg nicht häufig vorkommen, ungewöhnlich reich ist und seine Flora überhaupt einen eigentümlicheren Charakter an sich trägt, als die der großen Mehrzahl der übrigen Bezirke des Landes. Unverkennbar ist das Gepräge des rauhen Landstrichs, unter dem sie sich entfaltet“ (S. 34).

Glücklicherweise bietet uns die genannte Oberamtsbeschreibung eine ungefähre Vorstellung dieser teilweise nacheiszeitlichen Vegetation, die bei uns damals noch häufiger gewesen sein muss als heute.

Pauly nennt folgende Pflanzen, die innerhalb von Württemberg ausschließlich im Oberamt Wangen vorkamen:

a. In höheren Regionen (über 2000 Fuß = ca. 660 m)

Alpenfettkraut (pinguicula alpina)
Alpengreiskraut (Senecio alpinus)
Alpenhuflattich (Tussilago alpina)
Bärtige Glockenblume (Campanula barbata)
Bergbaldrian (Valeriana montana)
Braunsegge (Carex fulva; = nigra?)
Drachenwurz (Calla palustris)
Feldenzian (Gentiana campestris)
Grasschwertlilie (Iris graminea)

Drachenwurz
(Quelle: Mein schöner Garten)

Kahler Alpendost (Adenostyles alpina bzw. glabra)
Knotenfuß (Streptopus amplexifolius)
Nesselblättriger Ehrenpreis (Veronica urticaefolia)
Norwegisches Fingerkraut (Potentilla norvegica)
Rundblättriger Steinbrech (Saxifraga rotundifolia)
Sandkresse (Arenaria uliginosa)
Stengellose Primel (Primula acaulis)
Zweiblättriges Veilchen (Viola biflora)
.

bärtige Glockenblume
(Quelle: Wikipedia)

b. sonstige Standorte:

Alpenrose (Rosa alpina)
Alpenschnittlauch (Allium sibiricum bzw. alpinum)
Alpenwollgras (Eriophorum alpinum)
Alpenziest (Stachys alpina)
Bilsenkraut
Blauer Eisenhut (Aconitum neomontanum = Stoerkeanum = napellus)
Bocksriemenzunge (Himantoglossum viride = hircinum)
Brauner Storchschnabel (Geranium phaeum)
Deutsche Tamariske (Tamarix germanica)
Echtes Fettkraut (Pinguicula vulgaris)
Eisenhut (Aconitum cammarum)
Hahnenfußblättriger Eisenhut
Felsenspergel (Alpenmastkraut) (Spergula saginoides)
Fieberklee (Menyanthes trifoliata)
Freisamkraut
Geißblatt
Grauer Alpendost (Adenostyles albifrons bzw. Alliaria)
Grüne Nieswurz (Helleborus viridis)
Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha)
Heckenkirsche (Lonicera nigra)
Isländisches Moos u.a.
Kalmus (Acorus calamus)

Knotiger Spergel (knotiges Mastkraut) (Spergula nodosa)
Langblättriger und rundblättriger Sonnentau (Drosera)
Löffelkraut
Moorsteinbrech (Saxifraga hirculus)
Moschusmalve (Malva moschata)
Rostfarbene Alpenrose (Rhododendron ferrugineum)
Sauerklee
Schlammsegge (Carex limosa)
Schwalbenwurzenzian (Gentiana asclepiadea)
Schwertblättriges Waldvögelein (Cephalanthera ensipholia = longifolia)
Seerose (gelb und weiß)
Sumpfblasenbinse (Schleuchzeria palustris)
Sumpfhaarstrang (Thysselinum palustre)
Sumpfrosmarin (Andromeda polifolia)
Tollkirsche
Wanzenknabenkraut (Orchis coriophora)
Wasserfenchel
Weißer Huflattich (Tussilago alba)
Wollblume
Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus)
Zungenhahnenfuß (Ranunculus lingua)
Sträucher: Stechpalme, Tamariske

Das „Königreich Württemberg“ von 1863 führt noch als Besonderheiten an:
Sauerklee, einblumiges Wintergrün, Dreifaltigkeitsblume, rundblättriges Labkraut.

Als Besonderheiten im Argental: Jacobsgreiskraut, Herz-, voralpen-, leierförmiges Greiskraut (Senecio cordatus, subalpinus, lyratifolius), klebriger Salbei (Salvia glutinosa), rosmarinblättriges Weidenröschen (Epilobium Dodonaei), Schwalbenwurzenzian (Gent. asclep.).

Leider sind wir über den Zeitpunkt des Aussterbens von Pflanzen in früherer Zeit kaum oder gar nicht unterrichtet; allein im Falle der Alpenrose ist bekannt, dass 1921 bei Engerazhofen und 1922 in Winnis die letzten Exemplare in unserer Gegend gesehen wurden.

1930 zählt K. Bertsch (1878–1965) eine Reihe von seltenen Pflanzen des Westallgäus auf, u. a.

Adlerblume
Alpengänsestern
Alpenkreuzkraut
Alpenziest
behaarter Kälberkopf
Bergklee
blauer, bunter und gelber Eisenhut
Blutauge
breitblättriges und fleischfarbiges Knabenkraut
eisenhutblättriger Hahnenfuß
Elfenbein- und Winterschachtelhalm u.a.
Fettkraut
Fieberklee
Frauenschuh
geflecktes Lungenkraut
Geißbart
Germer

Germer
(Quelle: Wikipedia)

Helmkraut
Krähenfuß
Kugel-Rapunzel
Läuse- und Helmkraut
Liliensimse
maskierte Distel
Mehlschlüsselblume
Schwalbenwurzenzian
Sterndolde
Sumpfeinblatt
Sumpfhaarstrang
Sumpfveilchen
Sumpfwur
Wiesenraute
Wollgras
Wunderveilchen
zweiblättriges Veilchen

Alpenrose
(Quelle: pxhere.com)

Baur fand um 1950 noch das Spatelblättrige Aschenkraut (S.5), am Neuweiher bei Siggen die rotbraune Schnabelbinse und die Simsenlilie (S. 7). Sumpflanzkraut (S.8, s. auch Liste S. 9),. Eine besondere Queckenart wurde von Baur noch 1968 am Ostrand des Klingerweihers beobachtet. (S. 4)

Die Pflanzenvielfalt nahm in dem Maße ab, wie die Flachmoore entwässert und die Wiesen intensiver bewirtschaftet wurden und die Monokultur in Wald und Feld Einzug hielt. Wie auch in anderen Bereichen beschleunigte sich das Verschwinden der Pflanzen seit den 50er Jahren in beängstigender Weise. Innerhalb von 30 Jahren sind sehr viele Pflanzen- und Tierarten zurückgegangen und großflächig verschwunden. Die noch verbliebenen Hoch- und Niedermoore und die nach Norden ausgerichteten Tobelwälder der Argen und sind in unserer Gegend die letzten Rückzugsgebiete seltener Pflanzen und Tiere. An den Nordhängen der Unteren Argen, die sehr steil und unzugänglich sind und urwaldartigen Charakter haben, gibt es auch heute noch urwüchsige Tobelwald-Raritäten wie der Gelappte Schildfarn, Lanzen-Schildfarn, Waldgeißbart, Nesselblättriger Ehrenpreis ((Baur, 3).

Trotzdem sind viele der hier vorkommenden Arten auch bei uns schon kurz vor dem Aussterben und unter Naturschutz gestellt. In Ratzenried sind von 203 erfassten Pflanzenarten 25 Arten mittel und 4 Arten stark gefährdet – das sind mehr als 10 Prozent –, und im Arrisried sind rund 20 Prozent der Blütenpflanzen stark oder mittel gefährdet.

Besonders schlimm sieht es auf den Wiesen aus, wegen der Intensivwirtschaft: Statt 94 Prozent zweimähdiger Wiesen im Jahr 1941 gab es um 1990 95 Prozent vier bis sechsmähdiger Wiesen im württembergischen Allgäu (in Ratzenried 99 Prozent). Durch die Intensivdüngung hat sich das Verhältnis der Gräser und Kräuter ab 1960 von 70:30 auf 85:15 verschoben. In ursprünglich zweimähdigen Wiesen lebten weit über 100 verschiedene Pflanzenarten, in vier- bis sechsfach gedüngten Wiesen leben dagegen kaum 20. Deshalb kann das „so schön grüne Allgäu“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Grün ein „armes“ Grün ist.

Auch die anscheinend so malerische Löwenzahnblüte des Allgäus ist in Wirklichkeit ein „leuchtender“ Beweis der Monokultur, der Intensivdüngung und der daraus resultierenden Verarmung der Vegetation. An die Stelle der einst als „Ödland“ bezeichneten Feuchtgebiete, Moore und Raine ist heute das „Ödland“ der intensiv gedüngten Wiesen getreten.

Salomonssiegel
Sumpfhelmkraut

Immerhin gibt es im Jahr 2024 im Bereich Ratzenried noch Raritäten (Zahl = Zahl der Standorte):

Aaronsstab (2)
Alpenmaßliebchen (1, Argen)
Baldrian (kleiner) (1, Bruggweiher)
Berghahnenfuß
Blutwurz (Aufrechtes Fingerkraut) (1)
Feldklee (1)
Frühlingsenzian (1)
Germer (2)
Händelwurz (Große) (1)
Knabenkraut (stattliches und geflecktes) (1)
Knabenkraut (fleischfarbenes) (1)
Knolliger Hahnenfuß
Kreuzblümchen (gemeines)  (1)
Lerchensporn (2)
Mehlprimel (2)

Salomonssiegel (mehrere)
Silberdistel (1)
Skabiosenflockenblume (2)
Sumpfsitter (1)
Sumpfhahnenfuß (1)
Sumpfhornklee (1)
Sumpfsitter (1)
Trollblume (2)
Türkenbund (2)
Waldgoldstern (1)
Waldhyazinthe (zweiblättrige) (1)
Winterschachtelhalm
Wollgras (2)
Zweiblättriger Waldgoldstern (1)

Eine ähnliche Verarmung lässt sich auch in den Gärten – nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land – beobachten: Da ist der englische Rasen die Norm, und jede darauf blühende Blume gilt als Beweis der mangelnden Rasenpflege. Die bunte Natur hat im Garten nichts zu suchen; stattdessen fährt man in botanische Gärten und in ferne Länder, um dort die Natur „in natura“ zu erleben. Die Mode des englischen Rasens äußert sich leider auch darin, dass bei Wettbewerben wie etwa „Unser Dorf soll schöner werden“  auf geschnittene Hecken und sauber gemähte Rasen Wert gelegt wird, kaum aber auf einen ländlich-naturnahen Garten geachtet wird. Inzwischen hilft ja auch der Mähroboter, dieses „Ideal“ zu erreichen. 

Auf meiner Wiese ums Haus (kein englischer Rasen!) blühen:

Aaronstab
Akelei
Anemone
Atlantische Waldhyazinthe (Hasenglöckchen)
Augentrost
Baldrian
Bärlauch
Blutweiderich
Brennessel
Dost
Ehrenpreis
Engelwurz
Frauenmantel
Gemeines Moschuskraut (1)
Gilbweiderich
Goldtaubnessel
Grassternmiere,
Gundelrebe
Habischtkraut
Hahnenfuß
Heidegünsel
Herbstlöwenzahn
Hexenkraut
Hornklee
Hühnerdarm
Immergrün
Jakobskreuzkraut
Johanniskraut
Klappertopf
Kleiner Wiesenknopf
Klettenlabkraut

Knoblauchrauke
Krokus
Kuckucksblume (rote Nachtnelke)
Kuckuckslichtnelke
Lerchensporn
Löwenzahn
Mädesüß
Maiglöckchen
Malve
Margerite
Moschuskraut (gemeines)
Pfefferminze
Primel
Rotklee
Salomonssiegel
Sauerampfer
Scharbockskraut
Schlüsselblume
Schneeglöckchen
Spitzwegerich
Storchschnabel
Taubnessel
Veilchen
Vergissmeinnicht
Vogelwicke
Waldmeister
Weidenröschen (kleines und Großes)
Wiesenknöterich
Wiesenpippau
Wiesensalbei
Wiesenschaumkraut

Außerdem gibt es dort viele Gräser.

Am Teich:

Bach-Nelkenwurz (Blutströpfle)
Fieberklee
Froschbiss
Froschlöffel
Schwertlilie

Fieberklee

Seerose
Sumpfdotterblume
Sumpfhelmkraut
Wasserhahnenfuß
Weidenröschen (klein und groß)

Froschbiss

Viele Bauerngärten sind verschwunden, in denen die alte Harmonie zwischen Mensch und Natur sichtbar war. Mit dem Verschwinden der Heilkräuter aus dem Bauerngarten zeigt sich auch der Verlust an Naturkenntnis.

Die Natur in den Gärten und Wiesen ist also vor allem seit der Mitte des 20. Jhs. auf dem Rückzug. Das Buch von Dieter Wieland trägt den bezeichnenden Titel „Grün kaputt“.

Immerhin gibt es mancherorts wieder das Bewusstsein, wenigstens durch Blühstreifen und besonders gesäte Blumenwiesen dem Auge und der Biene wieder Nahrung zu bieten. Auch manche Gartenbesitzer lassen wieder eine „normale“, natürliche Blumenwiese um ihr Haus zu und „dulden“ und besinnen sich darauf, dass Pflanzen nicht nur eine wichtige Lebensquelle für die Insekten, sondern auch für die Menschen. Das neu entdeckte Interesse an den Heilkräutern deutet darauf hin.

(Atlantiscche) Waldyazinthe 
Sumpfsitter

Untere Argen

Die Untere Argen mit ihrem kiesreichen Bett und den steil aufragenden Sandsteinfelsen hat – ebenso wie die Obere Argen – auch heute noch viel von ihrem ursprünglichen Charakter als Gebirgsfluss bewahrt. An manchen Stellen schürfte sie sich in den tertiären Untergrund ein und legte Nagelfluh- und Molasseformationen frei, wodurch sie uns einen Einblick in die erdgeschichtliche Vergangenheit ermöglicht. Interessante, mehrere Millionen Jahre alte Zeugen sind die Steilwände aus Molasse-„Zapfensandstein“ bei Thalerschachen und Neumühle, ein einsamer Nagelfluhfels bei Arnsberg und bizarre, abgerutschte und aufgefaltete Talhänge zwischen Burkarts und Thalerschachen. Daneben hat die Argen in manchen Tobelwäldern noch letzte Reste der urtümlichen Vegetation bewahrt.

Argensteilwand bei Neumühle

Aber auch die neuere Geschichte unserer Landschaft in ihrem ständigen Werden und Wandel dokumentiert die Argen: Seit der Eiszeit und bis heute gräbt sie sich in die Steilhänge hinein, höhlt seltsame Formationen aus dem Sandstein und bringt – besonders bei den gefürchteten Hochwassern – große Geröllflächen zum Abrutschen. An den Burgen Affenstein und Arnsberg sieht man das Werk ihrer Zerstörung besonders deutlich: Erstere ist fast vollständig, letztere zur Hälfte abgerutscht. Nur wenige dieser Hochwasserkatastrophen sind schriftlich festgehalten worden – und dies meist nur im Zusammenhang mit der Zerstörung der Brücken: 1552 (?), 1679, 1704, 1750, 1767, 1768, 1789, 1874, 1953, 1956 und 1999.

Um Überschwemmungen zu verhindern, wurden um 1960 die Ufer befestigt. Diese Maßnahmen wandten zwar seither neue Katastrophen ab, doch haben sie einerseits eine erhöhte Fließgeschwindigkeit zur Folge und andererseits natürliche Böschungen und somit Nistplätze der Eisvögel und anderer Wasservögel zerstört.

bizarre Formationen

Andere Eingriffe wirkten sich für die Argen noch viel verheerender aus: die Kanäle. Durch sie wird der Argen über weite Strecken fast alles Wasser entzogen, weshalb sie dort zum übelriechenden Rinnsal degeneriert ist. Gerade an den Argenkanälen zeigt sich der Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und Naturzerstörung. Der Argenkanal, den die Herrschaft Ratzenried 1754 für den Betrieb der Neumühle bauen ließ (daher der Name!) und der ein frühes Beispiel für die beginnende Schädigung der Argen darstellt, hatte rein kommerzielle Gründe, und der Kanal in Thalerschachen (erbaut 1893) sollte gar der Stadt Wangen eine elektrische Straßenbeleuchtung ermöglichen.

Ein einzelner Argenkanal wäre sicherlich zu verantworten gewesen, doch ist – wie so oft – die Häufung, die Naturausbeutung ohne Maß und Ziel zu kritisieren. Heute befinden sich zwischen Gottrazhofen und Neumühle – also auf einer Strecke von 5 km – vier Argenkanäle; zusätzlich bildet der Argenstausee bei Gottrazhofen eine Barriere. (In den 50er Jahren plante die EVS sogar einen riesenhaften Argenstausee bei Isny.) In den letzten Jahren wurden immerhin bei Neumühle und Gottrazhofen spezielle Fischtreppen erbaut.

Neben Uferverbauungen und Kanälen ist die Wasserverschmutzung in den letzten Jahrzehnten die größte Gefahr für die Argen: Abwässer von Kliniken, Betrieben und Höfen haben das Wasser z. T. so verseucht, dass die Fische rar geworden sind oder aber von Parasiten befallen werden.

Seit einiger Zeit haben auch noch die Kajak-Fahrer die Argen entdeckt, obwohl meist sehr wenig Wasser fließt. Damit werden bisher noch wenig berührte Natur-Nischen dem Freizeitsport geopfert. Ein Flurname zwischen Thalerschachen und Wengen heißt „Paradies“. Vom Paradies Argen ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Quellen und Bäche

Quellen

Zum Landschaftsbild des Allgäus gehören neben den Hügeln, Mooren, Seen und Weihern auch die Quellen und Bäche. Das Allgäu war ein äußerst quellenreiches Gebiet. Das Wasser war lebensnotwendig: ohne Wasser kein Leben! Quellen wurden in uralter Zeit sogar als heilige Orte betrachtet, an denen man den Göttern Opfer darbrachte.

Schlucktrichter

Ein besonders magischer Ort ist der Schlucktrichter im Gründlenmoos, um den sich Sagen mit Opferbräuchen ranken.

Oft wurden die Quellen des Altertums „christianisiert“, indem man über ihnen eine Kirche oder Kapelle baute. Dafür gibt es im Allgäu einige Beispiele: DieUlrichsbrunnen bei Möggers und in Seibranz. Beide Quellen sind heute noch viel besucht; das Wasser des Ulrichsbrunnen bei Möggers gilt als Heilwaser für die Augen. Besondere Quellen gibt es auch im Gschnaidt, in Wigratzbad und bei Schlesis in der Nähe von Immenried/Arnach (sog. Jungfern-quelle). Wünschrutengänger vermu-ten in der Nähe des Bruggweihers (Ratzenried) eine hochwertige Quelle.

Pfarrer Schmid (Allgäu, meine Heimat, 1930) schreibt: „Im Allgäu finden wir am Fuße eines jeden Hügels eine Brunnenstube oder eine Quelle.“ Von den Quellen aus wurden Holzrohre (sog. Deichel) bis zu den einzelnen Weilern oder Dörfern gelegt. Dort gab es dann Wasserverteiler (hochdeutsch Scheidsäule, mundartlich Schôidsoul), mit denen das Quellwasser auf die einzelnen Höfe verteilt wurde. Da an Steilhängen zur Argen viel Quellen sprudelten, wurde das Wasser mit einem sog. Widder (Pumpe ohne Strom) hochgepumpt. So hatte jeder Hof Wasser in seinem Brunnentrog vor dem Haus.

Diese Zeiten sind vorbei. Am Beispiel Ratzenrieds lässt sich nachweisen, wie sich die beginnende Intensiv-Landwirtschaft mit der damit zusammenhängenden Entwässerung der Wiesen auf den Wasserhaushalt auswirkte. Durch die Drainage wurden viele Quellen ausgetrocknet, so dass 1912 im Dorf Ratzenried eine Gemeindewasserleitung nötig wurde. Für die Quelle von Oberried entstand ein Reservoir auf dem Galgenberg, für diejenige von Weihers eines auf der Halde (westlich des Dorfes).

Doch der Niedergang der Wasserversorgung schritt unaufhaltsam voran. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs. ergriff dann die Wasserknappheit allmählich die ganze Gemeinde Ratzenried. Die Ratzenrieder hatten sich durch die maßlosen Drainagen von Feuchtgebieten und Wiesen im wahrsten Sinn des Wortes das Wasser selbst abgegraben – ein trauriges Beispiel für die „ungewollten Nebenwirkungen“ in einem einst so quellenreichen Gebiet.

Quelltopf bei Weihers

Die Quellen versiegten aber nicht nur – sie wurden darüber hinaus auch verseucht. Als aus den Ratzenrieder Wasserhahnen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs. statt des Wassers teilweise Gülle floss, hätte dies ein erstes Anzeichen für die Verseuchung des Grundwassers sein müssen. Doch es wurde munter weitergewirtschaftet: Der höhere Grasertrag war wichtiger als die Wasserqualität. Inzwischen ist Ratzenried vollständig auf Trinkwasser von außerhalb angewiesen.

Nur noch wenige Wasserverteiler (am Ortsausgang von Ratzenried, in Hochstetten, Buchen, Tal, Mittelried) erinnern an diese ehemalige Wasser-Autarkie; die meisten Verteiler funktionieren aber nicht mehr, und Widder gibt es in Ratzenried keine mehr. Umso wichtiger sind die Quellen im Dorferwald, die noch einzelne Häuser mit Wasser versorgen. Doch auch sie sind gefährdet, falls Windräder im Dorferwald entstehen und den gesamten dortigen Wasserhaushalt zerstören würden.

Bäche

Sie entwässern unser Gebiet seit der Eiszeit; sie schlängeln sich in vielen Windungen dahin und haben an den Hängen zur Argen tiefe Tobel eingeschnitten. In Ratzenried verläuft auf einer Linie Alperts-Elmen-Zimmer|berg eine kleine Wasserscheide, denn südlich dieser Linie münden die Bäche in den Gießbach und dann in die Obere Argen, nördlich davon in die Untere Argen.

mäandrierender Bach

Die Bäche waren seit alter Zeit wichtig für die Mühlen. 1587 stritten sich beide Ratzenrieder Herrschaften, an welchen Tagen die Eggenmühle (Oberschloss) und die Argenmühle (Unterschloss) ihr Wasser aus dem Dorfbach beziehen sollten; die Abzweigung befand sich beim inzwischen abgebrochenen Haus an der Wangener Straße (früher Haus Nr. 62).

Die Bäche waren auch von Bedeutung für die Wiesenwässerung. Sie wurden teilweise in mehrere Richtungen abgezweigt (mit einem speziellen Fallensystem), um die Wiesen mit Nährstoffen anzureichern.

Auch für die Fischerei waren die Bäche von einer gewissen Bedeutung, sonst hätte nicht die Ratzenrieder Herrschaft die Fischrechte in den Bächen genau aufgeteilt, und den Bauern streng verboten, in den Bächen „zu fischen und zu krepsen.“ Demnach gab es in den Bächen auch Krebse.

Inzwischen sind viele Bäche unnatürlich begradigt und manche Bachtobel zum Schuttabladeplatz degradiert oder vollständig eingeebnet, weil sie als störende Barriere dem Traktor im Wege standen.

Wegen der Absenkung des Grundwasserspiegels führen die Bäche heute weniger Wasser, bei Gewittern allerdings kurzzeitig mehr Wasser als früher, was wiederum die Hochwassergefahr in der Argen erhöht.

Manche Bäche sind in den letzten Jahrzehnten verdolt worden, was ebenfalls den Tod eines Baches bedeutet, da hier Leben kaum mehr möglich ist und das Wasser, statt teilweise ins Grundwasser zu versickern, zu schnell abgeführt wird. Ein trauriges Beispiel ist der Ratzenrieder Dorfbach, „Lanquatt\“ genannt. Er entspringt südlich des Dorfes und bildete dann beim Gasthaus Rössle einen Weiher – eine Art Dorfmittelpunkt; hier trafen sich die Frauen beim Waschen oder die Bauern bei der Viehtränke. Anschließend schlängelte sich der Lanquatt an Häusern und Gärten vorbei bis zum Dorf- (Schloss-)Weiher. Er lieferte Wasser für die Gärten, war Spielplatz für die Kinder und Bademöglichkeit für die Enten und Gänse. Seit 1955 ist er auf seiner ganzen Länge verdolt und damit aus dem Dorfbild getilgt. In der Folgezeit und bis zur Kanalisation des Dorfes entwickelte sich der Lanquatt zusätzlich zu einer stinkenden Kloake. Die Wasserqualität hat sich inzwischen allerdings verbessert. Andernorts werden solche Dorfbäche wieder renaturiert und verschönern das Dorfbild.

Hoch- und Niedermoore

Der Zustand der Hoch- und Niedermoore ist für das Allgäu vielleicht das anschaulichste Beispiel für das gestörte Verhältnis zur Natur, nicht zuletzt deshalb, weil Moore und Feuchtgebiete zum wesentlichen Merkmal des Allgäus gehör(t)en und weil sich hier am deutlichsten die negativen Folgen dieses Wandels abmessen lassen.

Die Hochmoore waren und sind eindrucksvolle Beispiele unserer Landschaftsgeschichte. Nach der Würmeiszeit war das Westalllgäu eine vom Gletscher geformte hügelige Landschaft mit zahllosen Schmelzwasserseen. Im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende begannen viele dieser Seen vom Rand her zu verlanden und entwickelten sich allmählich zu Niedermooren. Durch das Wachstum des Torfs entstanden daraus Hochmoore.. So sind die noch verbliebenen Seen, Nieder- und Hochmoore unserer Gegend neben den Moränen und Hügeln die letzten „lebenden“ Zeugen der Nacheiszeit.

In Ratzenried gab es im 16. bzw. 18. Jahrhundert noch ca. 18 ha Hoch- und Niedermoore, im Allgäu „Moose“ genannt. Erst die Entdeckung des Moores als Rohstoffquelle leitete bei uns seit der Mitte des 18. Jahrhunderts den groß angelegten Abbau der Moore ein. Dabei musste der Torf als Ersatz für das rar gewordene Brennholz herhalten. Der Torfabstich dieser Moore wurde im 19. Jahrhundert weiter intensiviert. Im Oberamt Wangen steigerte sich der Torfabstich zwischen 1841 und 1863 auf das sieben bis achtfache; die Torflager wurden damals noch mit 7311 Morgen (ca. 2500 ha) beziffert.1899 waren die Ratzenrieder Torfmoore auf 9 ha geschrumpft, Göttlishofen besaß noch 27 ha, Eisenharz 119, Eglofs 45 und Christazhofen 105 ha.

In beiden Weltkriegen wurden die Moore (besonders das Arrisrieder Moos) noch intensiver abgebaut. In dieser Zeit sind auch die letzten Reste der besagten Hochmoore in Ratzenried verschwunden; sie werden heute teilweise als Streuwiesen genutzt, teilweise wurden sie aufgeforstet. Im Gegensatz zu der Umwandlung zu Streuwiesen ist die Aufforstung der endgültige Tod der Moore, denn dadurch wird die ursprüngliche Vegetation größtenteils zerstört.

Niedermoor/ Streuwiese

Den absoluten Niedergang der Moore aber brachte die Verpackung des Torfs in Plastiksäcke: Auf diese Weise sollte der „Kunstnatur“ mancher Städter mit Allgäuer Moorerde nachgeholfen werden, und selbst ins Ausland wurden die Allgäuer Moore in Säcken exportiert. Das Eisenharzer, das Harprechtser und das Arrisrieder Moos wären auf diese Weise beinahe vom Erdboden verschwunden, wenn man nicht noch in letzter Minute Einhalt geboten hätte. Noch 1975 (!) stellte das Regierungspräsidium einer Blumenerdefabrik den Abbau des Arrisrieds in Aussicht.

Dieses damals gerettete und inzwischen wieder teilweise renaturierte Moor gibt uns eine Vorstellung, wie viele andere Orte im Allgäu von Hochmoorlandschaft geprägt waren.

Die Niedermoore, entweder Reste abgebauter Hochmoore oder Übergangsmoore oder  trockengelegter Weiher, waren immer schon leichter zu kultivieren als Hochmoore. Jahrhunderte lang nutzten die Bauern und die Herrschaften die meisten dieser Flächen als Streuwiesen.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann man nun, die Niedermoore durch Gräben, Holzdeichel und (ab 1860) Tonröhren trockenzulegen und zu einmähdigen Wiesen umzuwandeln.

Verlust an Streuwiesen in Ratzenried (Bley)

Die Entwicklung beschleunigte sich nach dem zweiten Weltkrieg in rasanter Weise: Niedermoore und Streuwiesen galten als nutzloses, „Öd- und Unland“, die Streu wurde durch die moderne Flüssigentmistung überflüssig, die Flächen benötigte man zur zusätzlichen Gras- und Heugewinnung; deshalb wurde – ohne den ökologischen Sinn der Niedermoore und Feuchtwiesen zu erkennen – in unvorstellbarem Maß entwässert, zumal der Staat dies auch noch subventionierte. Hier sieht man, dass diese Entwicklung primär nicht der Bauer, sondern eine verfehlte Agrarpolitik mit Anreizen und Sachzwängen gefördert und beschleunigt hat. Die Zahlen belegen den Raubbau: In Ratzenried ist die Streuwiesenfläche von 120 ha (1914) und 90 ha (1941) auf 15 ha (1988) zurückgegangen.

Heute bedauert man diesen radikalen Wandel und versucht teilweise gegenzusteuern, weil man den Wert der Moore und Feuchtwiesen als CO2-Speicher und Regenrückhalteflächen sowie als Refugien für Pflanzen und Tiere erkannt hat. Nachdem die Politik mit viel Geld die Entwässerung der Moore gefördert hat, subventioniert sie nun deren Wiedervernässung. Und nun soll auch der Bau von Windrädern subventioniert, die die umliegenden Moore schädigen würden. Welch ein Widersinn!

Fazit: Dieser Überblick zeigt, dass unsere Landschaft in früherer Zeit viel bunter war mit sehr viel mehr Hoch-. und Niedermooren und mit entsprechender Flora und Fauna. Der  Raubbau an der Natur muss gestoppt werden!

Seen und Weiher

Seen und Weiher prägen in besonderer Weise die Allgäulandschaft. Vor allem die Seen haben eine sehr lange Geschichte. Nach dem Schmelzen des Gletschereises blieb in zahllosen Senken und Mulden das Schmelzwasser stehen; die Urseen, der Badsee, der Argensee und die Kißlegger Seen sind Reste dieser uralten Naturereignisse. Die meisten Seen verlandeten jedoch und entwickelten sich so allmählich zu Nieder- oder Hochmooren (s. anderer Artikel). Addiert man alle Seen, Weiher und Moore des Allgäus, kann man sich eine ungefähre Vorstellung des ehemaligen Seenreichtums unserer Gegend machen.

Die früheste Art, Moore zu nutzen, war die Anlage eines Weihers: Ein Damm an der günstigsten Stelle staute das Wasser, am Stempfel (oder Strempfel) konnte man je nach Bedarf das Wasser ablassen. So fanden also viele seit der Eiszeit verlandete Seen ihre Fortsetzung als Weiher.

Die ältesten Weiher unserer Gegend dürften im Zusammenhang mit den Burgen entstanden sein, also seit dem 10. oder 11. Jahrhundert. Manche Burgenbauer umgaben nämlich ihre Burgen mit einem schützenden Weiher. Bald bauten die Burgherren in der Nähe ihrer Burgen Mühlen zur Selbstversorgung, aber auch als „Dienstleistungsbetriebe“ für die Untertanen. Auch legten sie Fischweiher an, denn die Fischzucht war ein bedeutender Erwerbszweig. Im Klinglerweiher fischte man im 18. Jh. 2300 Karpfen, im Oberen Vallerayer Weiher 3000, im Unteren Vallerayer Weiher 2000.

Manche Weiher gaben den daneben liegenden Siedlungen ihren Namen, so z.B. Weihers bei Ratzenried und Eisenharz (der Vallerayer Weiher reichte früher bis unterhalb Weihers/Ratzenried; die Streuwiese zeigt dies noch an).

Im Laufe der Zeit entstanden viele weitere Weiher als Staubecken zur Wiesenbewässerung, als Feuerlöschreservoirs, als Waschweiher, als „Fischkalter“ (zur Überwinterung der Fische) und als Viehtränke. Im heutigen Kreis Ravensburg sind auf diese Weise im Laufe der Jahrhunderte nachweislich 2400 Weiher entstanden. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Wangener Landtafel von 1617, auf der sehr viele Seen und Weiher abgebildet sind. Auch auf der Ratzenrieder Herrschaftskarte von 1760 sieht man noch mehrere Weiher: Klinglerweiher, Oberer und Unterer Schlossweiher, Berger, Vallerayer und Artisbgerer, Dorfweiher samt Fischkalter usw. Einige dieser Weiher existieren nicht mehr.

Seit dem 18. Jahrhundert ließ das Interesse an Fischweihern wegen des nachlassenden Fischkonsums und der fallenden Preise immer mehr nach; besonders im 19. Jh. Man ließ eine ganze Reihe von Weihern auslaufen und nutzte sie als Streuwiesen oder – nach entsprechender Entwässerung – als einmähdige Futterwiesen oder sogar als Anbaufläche für Getreide (z.B. der Bruggweiher bzw. Unterer Schlosweiher, der zeitweise so genutzt wurde). Pauly beklagte schon 1841, dass „sich die Anzahl der Weiher und Seen (im damaligen Oberamt Wangen) von Jahr zu Jahr vermindert, da man mit Kosten, die sich kaum lohnen, Kulturland daraus machen will\.“ Der heute in Ratzenried noch übliche Flurname „Klinglerweiher“ erinnert nur noch durch seinen Damm an den ehemals größten Weiher der Herrschaft und an das größte Feuchtgebiet in Ratzenried. Beim Bergerweiher ist zusätzlich sogar auch noch der Damm abgetragen – nichts mehr deutet auf einen früheren Weiher hin. Andere kleinere Weiher und Tümpel wurden oft ganz einfach mit Bauschutt zugeschüttet.

Viele Weiher wurden dann im Rahmen des ,grünen Plans“ zwischen 1950 und 1960 endgültig trockengelegt. Von den in Ratzenried ursprünglich vorhandenen 40 Weihern und Tümpeln sind heute noch 13 übrig, also ca. 2/3 verschwunden (s. Karte Büchele, Band III, S. 100). Von ursprünglich ca. 90 ha waren 1841 noch ca. 40 ha übrig, heute sind es nur noch 33 ha. Ein ähnliches Bild bietet der Raum Wangen: Von den rund 250 ha offener Wasserfläche vor 200 Jahren sind heute nur noch 60 ha übrig; der Verlust beträgt 75 Prozent.

Die letzten Jahrzehnte haben aber auch noch in anderer Hinsicht die Weiher und Seen bedroht: durch den überhöhten Nährstoffgehalt, verursacht durch Haushaltsabwässer und landwirtschaftliche Düngung. Dadurch bildet sich immer mehr Biomasse, die das Gewässer nicht mehr abbauen kann (1 Gramm Phosphor reicht aus, dass sich 1 kg Algenbiomasse bildet). In den letzten 15 Jahren sind die Seen und Weiher mit so vielen Nährstoffen belastet worden wie in den 10.000 Jahren zuvor. Auf diese Weise werden noch viele andere Weiher von der Karte verschwinden und mit ihnen die Tiere und Pflanzen, die hier einst vorkamen.

Fazit: Von der einstigen Vielzahl der stehenden Gewässer ist nicht mehr viel übrig, und dieser Rest wird durch Schadstoffe bedroht. Dies wäre auch der Fall bei den Siggener Weihern wegen des giftigen Abriebs der Rotorenblätter.

Moränen und Hügel als Zeugen der Eiszeiten

Die im Allgäu zahllosen Moränen und Hügel sind Zeugen unserer Erdgeschichte und typische, malerische Merkmale unserer Landschaft.

Vor ungefähr 70.000 Jahren begann die letzte Eiszeit, die sog. Würmeiszeit. Dabei wurde das Westallgäu über Jahrtausende hinweg allmählich vom Rheingletscher bedeckt. Das Eis schob sich immer weiter vor, walzte über ältere Ablagerungen der Grundmoräne hinweg und formte dabei in Richtung des Vorrückens längliche Hügel, sog. Drumlins. Drumlins treten meist schwarmweise auf, sind fächerförmig und zueinander versetzt angeordnet und bilden große Drumlinfelder, wie man östlich des Bodensees beobachten kann. Auch entstanden Randmoränen, wie z.B. die Siggener Höhe als Ergebnis der Gießbach-Gletscherzunge.

Bei der „Wanderung“ des Gletschers wurden Felsen, Findlinge und Schuttmassen aus Sand und Kies von den Bergen abgehobelt und auf seiner Oberfläche immer weiter transportiert.

Gletscherstand von 15.000 Jahren (W. Benz)

Beim allmählichen Vorrücken des Gletschers wurden auch Senken ausgehobelt, in denen sich später – nach der Schmelze – das Wasser in Seen sammelte (u.a. der heutige Bodensee und alle Seen in unserer Umgebung, z.B. Badsee, Kisslegger Seen, Karsee, Argensee).

Vor ca. 20.000 Jahren kam der Gletscher kurz vor (dem heutigen) Leutkirch zum Stillstand. Man kann dies heute noch an der Endmoräne bei Herlazhofen sehen. Das Eis über dem (heutigen) Bodensee war damals bei Bregenz ca. 1000 m hoch und flachte bis zum Gletscherende immer mehr ab. Über dem heutigen Dorf Ratzenried dürfte er noch 100-200 m hoch gewesen sein.

Nun erwärmte sich allmählich das Klima (das gab es also auch früher schon!); die Gletscher begannen zu schmelzen und sich wieder zurückzuziehen. Das Schmelzwasser schoss von der Endmoräne aus in die Leutkircher Heide, spülte sie eben und hinterließ eine Menge von Geröll, Sand und Kies; deshalb ist die Leutkircher Heide ein immenses Sand- und Kiesreservoir. Beim Rückzug des Gletschers wurden Steine, Kies und Sand  zu Moränenrücken und Hügeln aufgehäuft. Reste des Schmelzwassers blieben in den ausgehobelten Senken stehen und bildeten kleine und größere Seen (s.o.).

sog. Pfaffenkäpple an der Straße Ratzenried-Deuchelried

Vor ca. 16.000 Jahren blieb der Gletscher einige Zeit stehen. So entstand z.B. die Moräne im Dorferwald bei Ratzenried, die sich von der Siggener Höhe aus Richtung Norden zieht (auch im Berfaller Hölzle ist ein Rest vorhanden). Deshalb ist diese Moräne sozusagen ein „Archiv“ der Eiszeit. Auch der Galgenberg stammt aus einem der Rückzugsstadien des Gletschers.

Vor ca. 15.000 Jahren kam der Gletscher noch einmal zum Stehen und bildete die  Moräne westlich von Ratzenried, die sich von der Siggener Höhe her über Alperts, Knobel, Burgberg bis zur sog. Halde und bis Berg hin zieht. Das Schmelzwasser floss zur Unteren Argen, die damals noch nach Nordwesten floss. Nach weiteren 1000 Jahren bildete sich parallel dazu eine weitere Moräne, deren markanter Punkt das Kögelegg bildet und die dann parallel zur Ratzenried Halde verläuft. Relikte dieser Phase stellen das Toteisloch bei Zimmerberg und auch der Hennenbühl bei Ratzenried sowie der Kreuzberg bei Valleray dar. Vor ungefähr 14.000 Jahren suchte sich die Untere Argen ihren heutigen Weg, und das Schmelzwasser grub bei seinem Weg zur Argen tiefe Tobel ins Gelände (z.B. Richtung Rehmen und bei Eggen). In dieser Phase gab es in Bett der Argen und an den Hängen immer wieder Veränderungen. Außergewöhnlich sind am Weg von Burkarts Richtung Thalerschachen die Hangfaltungen, bei denen der Hang ins Rutschen kam und Wellen bildete

Hangfaltungen bei Burkarts

Allmählich entwickelte sich unsere Gegend zur Tundra; Bäume und Pflanzen wuchsen und Tiere hielten Einzug. Der Mensch tauchte vor ca. 10.000 Jahren auf. Die ältesten Funde stammen aus der Mittelsteinzeit (um 8000 vor Chr.), aus der Nähe von Diepoldshofen, den Kisslegger Seen und dem Badsee. Weitere Funde aus der Jungsteinzeit und  der Bronzezeit belegen die Anwesenheit des Menschen in unserer Gegend.

Manche eiszeitlichen Hügel bekamen kultische Bedeutung, so z.B. der Hügel bei Valleray. Dort wurden beim Kiesabbau und mehreren archäologischen Grabungen im 19. Jh. Bronzebeile als Grabbeigaben aus der Zeit um 1500 v.Chr. sowie Hinweise für Urnenbestattung gefunden. Die Vermutung von einem kultischen Hügel wird noch dadurch bestärkt, dass man hier das einzige keltische Sonnenrad des Allgäus fand; dieses Kultobjekt weist auf den keltischen Gott Taranis hin, dessen Symbol das Rad war.

Kreuzberg bei Valleray

In ca. 500 m Entfernung, am Ortsausgang von Ratzenried befindet sich der sog. „Hennenbühl“. Auch hier könnte es sich um einen kultischen Berg oder einen Grabhügel handeln, denn das Wort Hennen kommt nicht von Hühnern, sondern von Hünen. Frühgeschichtliche Gräber werden auch Hünengräber genannt.

Hennenbühl bei Ratzenried

Seit dem Mittelalter wurden die Moränen und Hügel als Steinbrüche für Burgen-, Kirchen-,  Haus- und Wegebauten benutzt. Auf diese Weise verschwanden sicherlich viele Hügel und Moränen von der Bildfläche.

Dieser Abbau verstärkte sich immer weiter. Beim Kiesabbau stieß man auf der Moräne bei Zimmerberg auf einen riesigen Felsblock, den der Gletscher vor Jahrtausenden hier abgeladen hat. Er ist 4 m lang, 2 m hoch und 3 m breit und wiegt ungefähr 30 Tonnen (s. Foto). Er gibt eine ungefähre Vorstellung der Gletscherkraft, die einen solchen Block kilometerweit transportierte.

Knobel bei Mittelried

Bei der Gier nach Kies wäre der Hügel von Valleray mitsamt den Funden beinahe verschwunden, doch der Kiesabbau ging und geht weiter: Im Jahr 2024 wurde der Hennenbühl, ein Wahrzeichen von Ratzenried und ein ebenmäßig geformter runder Hügel, wegen des Radwegs ein Stück weit zerstört. Statt des keltischen Radgotts wird in der Gegenwart eben dem modernen (Fahr-)Rad-Gott Landschaft „geopfert.“

Findling bei Zimmerberg

Besonders radikal ging man mit den Hügeln in Berg um: Die lang gestreckten Hügel südlich von Berg, die dem Hof den Namen gaben, sind durch Kiesabbau in den 60er Jahren des 20. Jhs. fast völlig abgebaut worden, und nur noch einer ist übrig (nordwestlich des Wohngebiets Finkenherd). Während früher unsere Vorfahren auf der Suche nach Kies da und dort nur kleine Wunden in die Natur schlugen und ein Weiler oder Hof jahrzehntelang von einer einzige Kiesgrube profitierte, wurde in Berg innerhalb von 30 Jahren durch anonyme Baufirmen „tabula rasa“ gemacht und ein Stück Allgäulandschaft an  anonyme Baufirmen verschleudert.

Ein weiterer Akt der Naturzerstörung droht mit den geplanten Windrädern im Dorfer und Siggener Wald; die dortige Moräne müsste teilweise abgetragen oder durch gewaltige Fundamente durchbohrt werden. Nach dem Klimawandel der Nacheiszeit soll nun angeblich der Klimawandel der Gegenwart  aufgehalten werden…..