Wald
Nach der Eiszeit waren es zuerst die Zwergbirken, Wacholder und Waldkiefern, die den kargen Boden des Allgäus besiedelten und ihm ein tundraähnliches Aussehen gaben.
Nachdem die Temperaturen in der Vorwarmzeit (8200-6800 v. Chr.) weiter gestiegen waren, zogen sich die arktischen Bäume in die Alpen zurück; nur in den Mooren konnten sich einzelne Baumarten behaupten und sind bis heute Relikte der Nacheiszeit – z. B. die Zwergbirke und die Moorkiefer (Spirke). Gleichzeitig mit der Erwärmung des Klimas drängte die Hasel die Waldkiefer stark zurück. In der Folge wurden dann Ulme und Eiche bei uns heimisch und entstand so ein Eichen-Mischwald. In der frühen Warmzeit (6800-5500 v. Chr.) kam dann die Linde dazu.
Erst ab 2500 v. Chr. tauchten Tanne und Buche auf (Buchen-Tannenwald), ab ca. 800 v. Chr. die Fichte. Dieser Mischwald prägte jahrtausendelang das Landschaftsbild des Allgäus, ebenso wie die vielen Seen und Moore. Auf einer Schautafel im Arrisried kann man diese Entwicklung ablesen. In manchen Tobelwäldern entlang den Steilhängen der Unteren Argen hat sich noch manch Ursprüngliches erhalten.
Seit der alemannischen Besiedlung wurde der Wald durch die Rodungen und den Holzbedarf immer weiter zurückgedrängt; außerdem war er durch den Wildfraß, die Waldweide (die Kühe weideten das Laub ab und die Schweine fraßen die am Boden liegenden Eicheln), das Harzen, den Verbrauch beim Hausbau, als Brennholz, bei der Kohlegewinnung und den Glasbläsern sowie in den Kalköfen so stark bedroht, dass die Herrschaften immer wieder durch Verbote regulierend einschreiten mussten. Es ist nicht auszuschließen, dass die gewaltigen Rodungen des Mittelalters die im 14. Jahrhundert erfolgte Klimaänderung mit herbeigeführt haben – welche Parallele zu heute und zu den wegen der Windräder gerodeten Wälder!
Wegen der vielen Rodungen gab es im 18. Jh. in Ratzenried nur noch knapp 200 ha Wald (bei einer Gesamtfläche von 1378 ha). Der Wald hatte sich auf rund 1/4 seines ursprünglichen Bestandes verkleinert. Rückzugsgebiete der Wälder waren die steilen Argen- und zur Argen führenden Bachtobel sowie die wirtschaftlich ungünstigen Berghöhen. (Sie sind es bis heute geblieben.) Typisch war immer noch der Mischwald aus Tanne, Fichte, Buche, Esche, Birke, Ulme, Ahorn, Kiefer, Legforche, Lärche, Linde und Eibe. Die Eichen waren in den Wäldern selten; sie säumten die Waldränder, Berghöhen, Weiherdämme und Feldraine oder standen vereinzelt auf dem Feld.
Die Entwicklung vom Mischwald zur Fichtenmonokultur begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach der bedrohlichen Dezimierung der Waldflächen bis zu diesem Zeitpunkt sollte der Wald möglichst schnell und gewinnbringend aufgeforstet werden – mit der schnell wachsenden Fichte. Die Radikalkur war in Ratzenried besonders drastisch: Schon 1824 gab es hier keine Laubwälder mehr.
Immerhin war in Ratzenried aber durch die Pflanzung von Fichten die Waldfläche zwischen 1756 und 1841 von rund 200 ha auf 354 ha gestiegen. (Trotz der überall im württembergischen Allgäu erfolgten Aufforstung beträgt hier noch heute die Waldfläche nur 28 Prozent gegenüber 37 Prozent in Gesamtwürttemberg.)
Die Entwicklung zur Fichtenmonokultur hat sich – analog zur Grünlandmonokultur – bis heute fortgesetzt und die Laubhölzer auf 5 Prozent zurückgedrängt. Zusätzlich wurden – nachdem in Ratzenried bis 1950 die Waldfläche auf 161 ha gesunken war – ehemalige Wiesen mit Fichten aufgeforstet, so dass es hier 1964 wieder 215 ha Wald gab. Die dunklen Fichtenwälder haben das Gesicht des Allgäus drastisch verändert. Der Wald ist vom Lebensraum zur Holz-Produktionsanlage geworden – soweit er nicht schon durch das Waldsterben zum Friedhof geworden ist. „Bunt sind schon die Wälder“ – ein Lied mit herbem Beigeschmack.
In den letzten Jahrzehnten wurde allerdings der Wert der Mischwälder wieder erkannt, weil die Fichten sehr sturmanfällig sind und dem Borkenkäfer zum Opfer fallen. Allerdings gibt es nun auch das Eichen- und Eschensterben.
Nach den Bemühungen um den Wald droht nun wieder ein Gegenschlag: Die Windräder im Dorfer und Siggener Wald. Wegen der von der Windradlobby getriebenen Politik wird der Wald quasi als ein lebens- und fast rechtsfreier Raum angesehen. Und dabei haben dieselben Politiker vor einigen Jahrzehnten das Waldsterben angeprangert. Der Klimawandel sei schuld. Dagegen soll nun der Wald sterben, um das Klima zu retten! Während anderswo Wälder neu gepflanzt werden, um klimaschädliches CO2 zu speichern, wird für die Windräder Wald abgeholzt, der bisher eigentlich COs speicherte
Gerade im Zuge des Klimawandels bekommen die Geschlossenheit des Kronendachs der Wälder und der Naturwald statt Monokulturen zentrale Bedeutung. Dagegen würden Windräder große Löcher in den Wald reißen, was gleichzeitig zur Klimaerwärmung beiträgt. Man setzt durch Abholzen der Wälder riesige Mengen an Treibhausgasen frei, entblößt und verdichtet die Waldböden und wundert sich, dass die dort neu gepflanzten, angeblich „klimaangepassten“ Baumarten wieder vertrocknen. Man tut also im Grunde alles, was wald- und klimaschädlicher nicht sein kann. Die riesigen Windräder würden unseren Gemeinwohl-Wäldern den Rest geben. Durch Rodungen würden außerdem vermehrt Sturmschäden auftreten, weil der Wind eine größere Angriffsfläche hätte.
Wälder sind Kaltluft- und Frischluftentstehungsgebiete, kühlen die Umgebung um zehn Grad herunter und begünstigen neue Regenentstehung. Zur Klimaanpassung puffert intakte Natur Extremereignisse ab. In Wäldern mit intakten Böden verbleiben über 90% des Niederschlages. Ausgerechnet dort Energieanlagen zu bauen, die angeblich dem Klima helfen, ist absurd.
Durch die Rodungen und die Windräder verliert das Wild (s. Artikel Tiere) seinen angestammten Lebensraum und wird durch Bodenvibrationen, Lärm, Feinstaub, Luftdruckimpulse, Schattenwurf (s.u. bei Gesundheit) und Waldzerstückelung beeinträchtigt.
Der Wald ist nicht nur ein Refugium für Tiere, sondern auch Erholungswald für Einheimische und Touristen. Indem die Menschen im Wald den Erholungswert des „Waldbadens“ entdeckt haben, wird ihnen auch wieder die Einheit von Mensch und Natur bewusst. Dieser Wert des Waldes würde also zerstört.
Immerhin gibt es noch verhältnismäßig urwüchsige Tobel- und Auenwälder entlang dem Nordhang der Unteren Argen, weil sie schwer zugänglich sind und deshalb dem Profitstreben noch nicht zum Opfer gefallen sind. Es sind in gewisser Weise Reste eines „Allgäuer Urwalds“.. Besonders erwähnenswert sind der Argentalhang in einer Nische im steilen Oberhang mit seinem geißbartreichen Schluchtwald, der Auenwald im Talgrund bei Ahegg/Ratzenried mit seiner Vegetation, der rutschige, quellenreiche Talhang mit kalkreichem Buchen-Eschenwald im Argental zwischen Dürren und Argenmühle und der Geißbart-Schluchtwald im Geißertobel bei Eggen (oberhalb des Arnsberger Steges, auch der artenreiche Buchen-Tannenwald im Buchholz westlich von Ratzenried auf einem Moränenhügel Richtung Geißertobel (Baur S. 47, 48, 56-58, ). Inwieweit diese Beobachtungen aus der Zeit um 1950 noch gültig sind, ist zweifelhaft.
Rückzugsgebiete sind auch die Moore, besonders das Arrisried. Hier existiert noch die oben erwähnte Spirke, die zu den seltensten einheimischen Baumarten gehört und als gefährdete Art auf der roten Liste steht.
Waldboden
Der Waldboden ist Lebensgrundlage für Bäume, Pflanzen, Pilze und Bioorganismen. Er ist an der Grundwasserneubildung beteiligt, speichert Niederschläge, stellt es der Vegetation zur Verfügung und reduziert gleichzeitig den oberflächigen Abfluss, der bei hohen Niederschlägen zum Überlaufen der Flüsse führt. Dabei speichert er das lebenswichtige Wasser und speist damit Quellen. Böden wirken auch als Puffer und Filter gegenüber Schadstoffen. Damit schützen sie insbesondere das Grundwasser. Da sie Kohlenstoff speichern, helfen sie, den Treibhauseffekt zu begrenzen. Zusätzlich sind sie an der Stoffumwandlung beteiligt, d.h. dass Schad- und Nährstoffe umgewandelt, gespeichert und teilweise auch abgebaut werden können.
Durch die Windkraftanlagen und die dafür erforderlichen Zufahrten würden dagegen große Flächen verdichtet und versiegelt, die Flora verdrängt und der Grundwasserverlauf gestört. Die Zufahrten müssten immer wieder für Wartungs- und Reparaturarbeiten unterhalten werden. Aufgrund der Höhe der Anlagen ist eine tiefgründige Verankerung im Boden erforderlich, die massiv in die zu schützende Geomorphologie der Waldgebiete eingreifen würde. Nach Abbau der Windräder bleibt der Waldboden auf lange Zeit geschädigt.
Naturdenkmale
Nur noch wenige inzwischen als Naturdenkmale eingestufte Laubbaumriesen künden in Ratzenried von den Zeiten des bunten Allgäuer Waldes. Von den erwähnten Eichen stehen nur noch rund 10 Prozent des alten Bestandes.
Die Eichenallee auf dem Damm des ehemaligen Klinglerweihers dürfte aus dem 18. Jh. stammen. 1841 war der Kögelegg von einem „Kranz von Eichen“ bestanden, von dem heute noch eine einzige vorhanden ist.
An prächtigen Linden gibt es ebenfalls nur noch wenige. Die Dorflinde, 1701 bei der Kirchhoftreppe gepflanzt, die „Friedenslinde“, 1871 anlässlich des Friedens von Frankfurt als mittlere Linde gepflanzt und die vordere Linde sind alle der Dorfplatzgestaltung 1973 zum Opfer gefallen. „Gestaltung“ und Teer statt Natur.
Eine Besonderheit ist die Linde beim Ratzenrieder Bruggweiher mit einem Stammumfang von fast 10 Metern und einer Höhe von ca. 30 Metern. Sie wurde im Buch „Die hundert schön-sten Bäume Deutschlands gewürdigt und zieht viele Besucher an – nicht zuletzt wegen des Lochs, durch das man schlüpfen und angeblich Krankheiten abstreifen kann.
Ein Naturdenkmal besonderer Art war der Park beim Schloss Ratzenried. Um 1845 pflanzte hier der Graf von Beroldingen beim Schlossweiher und in den „Anlagen“ (Fortsetzung des Parks) eine bunte Mischung von Laubbäumen an. Leider wurden fast all diese inzwischen zu Riesen gewachsenen Bäume des Parks gefällt. Und die Hecke, die einst den Park umgab, wurde samt dem Eingangstor und den 2 Bärenfiguren der Straßenverbreiterung mit unnötiger Abbiegespur geopfert. Somit ist der Charakter des Parks weitgehend verloren.
Obstbäume
(mehr dazu: Büchele II, 436, 704; III, 77 ff., 436, 441, 576 mit jeweiligen Quallenangaben)
Das Allgäu ist als Anbaugebiet für Obst nicht gerade ideal. Freilich darf man nicht vergessen, dass das Klima vor dem Klimawechsel des 14. Jahrhunderts sicherlich günstiger war. Hinweise auf den Anbau von Äpfeln und Birnen in unserer Gegend gehen auf das 15. Jahrhundert zurück. In einem Erbvertrag von 1492 regelten die Vögte von Leupolz die Verteilung des Fallobstes, der Äpfel und der Birnen. Wie umfangreich damals der Obstanbau war, ist allerdings nicht klar.
Erst seit dem 18. Jahrhundert gibt es für Ratzenried diesbezüglich genauere Hinweise. Damals förderte nämlich die Ratzenrieder Herrschaft die Pflanzung von Bäumen und hielt die Untertanen an, „die Bäume aller Orthen wohl zu versorgen, junge Bäume fleißig anzubinden, vor Vieh mit Dörner (Dornen) wohl zu verwahren, mit s. v. (= man entschuldige den Ausdruck) Kuehlachen zu beschütten, zu putzen, Fäulnisstellen mit Salbe aus s. v. Kuhfladen und Letten zu bestreichen und schadhafte Bäum und sog. Krippel auszumustern und neue zu setzen.“ 1774 einigten sich der Ratzenrieder Pfarrer und sein Widdumbauer, dass ersterer „alles zahme und guette Obst (Äpfel, Bieren und Zwetschgen“, letzterer das „wilde Obst“ (Holzäpfel und Birnen) bekomme, die Kirschen aber geteilt werden.
Wie begehrt das Obst war, zeigen auch die Verbote, „Bieren und Äpfel weder bei Tag noch bei Nacht dem anderen abzuschütteln“.
Der Aufschwung des Obstanbaus im Allgäu hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass seit dem 17. Jahrhundert das Weintrinken außer Mode gekommen und vielleicht auch zu teuer geworden war. Im Ratzenrieder „Ochsen“ kostete 1781 ein Viertel Wein immerhin 7-10 Kreuzer, dagegen 1 Viertel Holzäpfelwasser 6 Kr. und ein Viertel Bierbranntwein sogar nur 4 Kr.
Dies zeigt, dass bei der Obstverwertung vor allem das Branntweinbrennen eine Rolle spielte. Tatsächlich erhielten verschiedene Ratzenrieder Bauern seit dem 17. Jahrhundert von der Herrschaft die Erlaubnis, Branntwein herzustellen. Zum Brennen verwendeten sie Holzäpfel und -birnen. Obstanbau und Branntweintrinken waren mit der Zeit im Allgäu derart häufig, dass M. Buck dies geradezu typisch für das Allgäu ansah gegenüber dem Weißbiertrinken in Oberschwaben. Freilich geriet das Branntweintrinken schon bald in die Negativ-„Schlagzeilen“. 1770 kritisierte die Ratzenrieder Herrschaft in einem Maiengebot das Überhandnehmen des „schädlichen Branntweintrinkens“ und drohte, dass „diejenige Leut, welche berauscht oder betrunken erfunden werden, ohnfehlbar bestrafft werden.“
Am Anfang des 19. Jahrhunderts muss der Obstanbau wieder nachgelassen haben, denn 1841 beklagte Pauly in seiner Beschreibung des Oberamts Wangen, dass dieser dem Allgäuer fremdartig sei. „Seine Lebensart macht ihm das Obst weniger zum Bedürfnis. Die rauheren Gattungen, welche das Klima ertrügen, weiß man nicht zu verwenden, da der Obstmost keinen Eingang findet; milderes Obst zum Rohessen, Kochen und Dörren bezieht man wohlfeil von den Bodenseegegenden….. Doch sieht man immer mehr auch in den höher gelegenen Gegenden hie und da sorgfältig gehaltene Baumgüter. Auszeichnung verdient in dieser Hinsicht der Gemeinderat Schobloch von Oberharprechts, der seit dem Jahr 1820 eine Baumanlage mit einer großen Baumschule besitzt, deren schöner Stand in der Tat Bewunderung erregt und die von sehr förderlicher Einwirkung auf die ganze Gegend ist.“
Auch in Leutkirch gab es eine nicht unbedeutende Baumschule, aus der hauptsächlich die für den Baumbesatz an den Landstraßen erforderlichen Bäume billig abgegeben wurden. Die in die Orte herein ziehenden Neubürger waren nämlich verpflichtet, auf der Allmende oder an den Straßenrändern zwei Obstbäume zu pflanzen. So waren nun die Straßen gesäumt von langen Obstbaumalleen, was also ebenfalls das Bild des Allgäus prägte.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Obstanbau durch den Obstbauverein Wangen dann noch weiter intensiviert (Büchele II, 576). Vermutlich erst seit dieser Zeit kam bei uns das Mosttrinken in Mode.
Über die alten Obstsorten gibt es nur wenige Hinweise. Die Holzbirnen und -Äpfel sind sicherlich am ältesten; Pauly nennt im 19. Jahrhundert den „Isnyer Jahrapfel“, eine Art Reinette, und eine in der Isnyer Gegend eigentümliche Birnensorte, die sog. Rotbirne, die besonders zum Dörren geeignet war. Die letzten Bäume dieser Sorte fielen in Eisenharz um 2000 einem Baugebiet zum Opfer.
Auch Kirschen und Zwetschgen gab es bei uns schon in früheren Jahrhunderten; sie wurden häufig zu Branntwein verarbeitet. Pauly empfahl 1841 eine besondere Kultivierung der im Allgäu verbreiteten schwarzen Waldkirsche, da das „aus derselben bereitete Kirschenwasser auswärts guten Absatz findet und selbst nach Frankreich geht“.
Im Jahr 1847 gab es so viele Äpfel, Birnen und Zwetschgen, dass Bauer Kolb aus Reute es für Wert befand, dies auf seinem Stubentäfer handschriftlich zu verewigen.
Hier Zahlen zu den Obstbaumsorten im Oberamt Wangen:
Apfelbäume | Birnbäume | Pflaumenbäume | Kirschenbäume | |
1878 | 33888 | 22203 | 10628 | 4695 |
1884 | 33310 | 23204 | 8467 | 3212 |
1905 | 48934 | 28655 | 7714 | 1719 |
Noch in der 1. Hälfte des 20. Jhs. blühte im wahrsten Sinn des Wortes der Obstanbau. 1931 besaß z.B. Bauer Hecht in Alperts: 64 Apfelbäume, 36 Birnbäume, 19 Zwetschgenbäume, 14 Kirschbäume und 3 Pflaumenbäume. Jeder Bauer hatte seine eigene „Buind“ (Boint), d.h. Obstbaumwiese.
Viele Apfel- und Birnensorten hatten sich im Laufe der Zeit als für unser Klima ideal herausgestellt. Um 1990 konnte ich durch Befragung erfahren, dass folgende Obstsorten bei uns bekannt waren:
Birnen
Blutbirne
Butterbirne
Gelbmöstler
Goißhirtle
Haberbierê (frühe Tafelsorte)
Holzbirne
Jagdbirne
Luxemburger Mostbirne
Oberösterreicher
Pastorenbirne
Philippsbirne
Rotbirne
Schweizer Mostbirne
Seebirne
Tafelbirne
Äpfel
Allgäuer Kalvill
Ananasreinette
Berlepsch (Freiherr v.)
Berner Rose
Biestenfelder
Bittenfelder
Bohnapfel
Boskpop (gelb und rot)
Boiker
Bräunling
Brettacher
Buier (Most)
Champagner Reinette
Cox Orange
Danziger Kant
Eschacher Mostapfel
Fießers Erstling
Flandrischer Rambour
Gewürzluike
Glockenapfel
Golparmäne
Gravensteiner
Hinznanger
Holstein Cox
Holzapfel
Horneburger Pfannkuchen
Isnyer Jâhrapfel (grün und rot)
Jacob Lebel
Jacobapfel
Jockebacher
Jonathan
Kaiser Wilhelm
Kickacher (= Ravensburger)
Klarapfel
Krügers Dickstiel
Landsberger
Mautzen
Musch (Josef)
Oberländer (Jacob Foischer)
Olgaapfel
Ontario
Orangenapfel (Schweizer)
Pfeffermintapfel
Ravensburger
Reinette von Zabergäu
Roller
Rotapfel
Rote Sternreinette
Ruhm aus Kirchwerder
Russenapfel
Russapfel (frühe Sorte)
Schafsnase
Schöner von Herrenhut
Schöner vom Schussental
Schwaikheimer Rambour
Sießling
Signetillisch
Spitzeknobler
Stettiner („Schneller“)
Taffetapfel („Dapfetepfl“)
Teuringer Rambour
Transparent
Wachsreinette
Weinapfel
Weißer Winterkalvill
Welschisner
Zenderling
Zuccalmaglio
Steinobst
Zipperle (grüne Zwetschgen, ähnlich Reine Claude)
Griêchêlê (blau, ähnliche Form wie Mirabelle)
Griêsbr (Kirsche)
Seit den 50er Jahren des 20. Jhs. erlitt jedoch der Obstbau gewaltige Einbußen, weil das Biertrinken bequemer und „moderner“ war und die Landwirtschaft durch den „Grünen Plan“ und das Motto „Wachsen oder weichen“ zur Steigerung der Erträge gedrängt wurde. Nun standen die Obstbäume dem Traktor im Weg; auch dem Straßenbau fielen die Baumalleen zum Opfer. Wo Obstbäume noch stehen, werden sie leider kaum mehr gepflegt und verwahrlosen zusehends. Auch auf diese Weise ändert das Allgäu sein Landschaftsbild.
Inzwischen hat man den Wert der Streuobstwiesen als besondere Biotope erkannt und versucht, durch Zuschüsse und Überzeu-gungsarbeit gegenzusteuern. Aber die alten und bewährten Sorten sind größtenteils vergessen und werden durch neue Züchtungen ersetzt, die für das Allgäu gar nicht typisch sind.
Vergleicht man die heutigen Sorten mit den oben aufgelisteten, versteht man, welche Verarmung die Obstbaumsorten erfahren haben.
Hecken
Seit uralter Zeit wuchsen die Hecken an Bächen, Feldrainen und Böschungen, teils als natürliche Zäune, teils als Windschutz, teils ganz einfach deshalb, weil sie nicht „störten“ und außerdem die Landschaft gestalteten. Zudem standen sie an Grundstücks-, Weiler- oder Öschgrenzen. Die Hecken waren besonders wichtig für Vögel und Insekten.
Heute sind die „blühenden Hecken“, die Pfarrer Schmid noch 1931 als malerischen Aspekt des Allgäus rühmte, fast alle verschwunden, weil sie als „unproduktive Bestandteile der Landschaft“ erschienen, dem Traktor im Wege standen oder durch ihren Schatten angeblich eine Ertragsminderung hervorriefen. Letzte Reste von Hecken (meist Schlehenhecken) sind nur noch an Waldrändern zu sehen. Beim Anblick der weitgehend „ausgeräumten“ Landschaft stellt man fest, dass auch in dieser Hinsicht die Monokultur gesiegt und das Gesicht des Allgäus verändert hat.
Letzte Reste davon sind in Ratzenried noch auf dem Steineberg (zwischen Ratzenried und Berg), östlich von Weihers (alte Grenze zwischen Platz und Weihers) und nördlich von Alperts (Grenze zwischen Oberried und Alperts) zu sehen. Solche Hecken waren sogar „Landesgrenzen“: Beispiele dafür sind noch die Hecken südwestlich von Kögelegg/Zimmerberg und südlich von Valleray, Reste der einstigen „Landesgrenze“ zwischen der reichsunmittelbaren Herrschaft Ratzenried und der Reichsstadt Wangen. Weil sie die verschiedenen Rechte abgrenzten, hieß man sie „Friedhag“. So kann man sich leicht vorstellen, dass die Allgäuer Landschaft durch die Vielzahl der Hecken ein ganz anderes Gesicht gehabt haben muss als heute, ungefähr in der Art mancher Landstriche in Schleswig-Holstein, in der Normandie oder in der Bretagne. Die Beurener hießen geradezu „Boscher“, weil ihr Dorf ganz von Gebüsch umgeben war.
Zwar werden in Neubaugebieten um die Grundstücke Hecken gepflanzt, doch auch hier haben durch die Monokultur in Form von untypischen aber „pflegeleichten“ Koniferen Einzug gehalten.
Inzwischen gibt es auch bei den Hecken ein Umdenken, weil man wieder sich daran erinnert, dass die Hecken wichtige Biotope sind und Vögeln als natürlichen Schädlingsbekämpfern Unterschlupf bieten, ja, sogar eine Ertragssteigerung herbeiführen können, weil sie eine optische Belebung der monotonen Landschaft sind, Bodenerosion verhindern, die Windgeschwindigkeit und die Kaltluft verringern und Wasser speichern. Allerdings: Auf den landwirtschaftlichen Flächen wird wohl kein Bauer mehr eine Hecke pflanzen.